
Leseprobe: Dunkel Geheimnisse
Kapitel 1
„Möchte noch jemand Kaffee?“, erkundigte sich Margret bei ihren beiden Freundinnen.
Bereitwillig hielt jede ihre Tasse hin.
„Was gibt es eigentlich so Ungewöhnliches, das du uns zeigen willst?“, fragte Louise neugierig und nickte dankbar, als der Kaffee aufgefüllt wurde.
„Nicht zeigen“, korrigierte Margret. „Ohrenzeugen sollt ihr werden.“
„Ohrenzeugen?!“, kam es verwundert im Chor.
Margret genoss die verblüfften Blicke, die ihr die Freundinnen zuwarfen. Jede von ihnen war bereits in den Sechzigern und hatte in ihrem Leben so einiges erlebt. Dennoch war sich Margret sicher, dass sie ihnen gleich etwas bieten konnte, das ihre kleine unschuldige Welt sprengen würde. Dennoch wollte sie ihre Freundinnen noch ein wenig auf die Folter spannen.
„Möchte noch jemand ein Stück Kuchen?“
„Hmmph…“, brachte Louise kichernd hervor, dass sie gerade den letzten Bissen im Mund hatte.
„Nun mache es doch nicht so spannend. So ungeheuerlich kann es nicht sein, wenn es bei dir zuhause stattfinden soll“, provozierte Annegret.
Margret legte Louise ein Stück Kuchen auf den Teller, dann nahm sie in aller Seelenruhe einen Schluck Kaffee und sonnte sich in den Blicken der Freundinnen. Langsam stellte sie die Tasse zurück auf den Unterteller und sah sie aufmerksam an.
„Bei mir zuhause findet es ja nicht statt, sondern nebenan.“
„Nebenan?“, echote es im Raum.
„Meine junge Nachbarin wird gleich wieder einen ihrer besonderen Herren empfangen und dann werdet ihr etwas hören können, das schier unglaublich ist.“
„Wovon redest du, Margret? Ich kann dir nicht ganz folgen.“
Annegret nickte beipflichtend.
Margret sah sich genötigt die Freundinnen aufzuklären.
„Seit einiger Zeit treibt es die junge Dame von nebenan ziemlich wild. Zunächst konnte ich die Geräusche, die durch die Wand drangen nicht wirklich einordnen, doch allmählich kristallisierte sich für mich heraus, was sie mit ihren Freiern treibt.“
„Mit ihren Freiern? – Du willst doch nicht etwa sagen, dass sie eine Professionelle ist?“
Annegret bemühte sich offenbar, so empört wie möglich zu klingen, doch die Sensationslust in ihrer Stimme entlarvte sie. Die Vorfreude, in ein kleines Skandälchen eingeweiht zu werden, war nicht zu übersehen.
„Ich denke nicht, dass Ramona eine Professionelle ist.“ Margret machte eine Pause und weidete sich an den enttäuschten Gesichtsausdrücken ihrer Freundinnen. „Ich meine, ich glaube nicht, dass sie es professionell macht, sondern lediglich eine ambitionierte Amateurin ist. Zumindest lässt die Geräuschkulisse darauf schließen.“
Louise begann zu husten, da sie sich an ihrem Kuchen verschluckt hatte.
„Bitte ...?“, keuchte sie, während ihr Annegret fürsorglich auf den Rücken klopfte.
„Ich glaube, dass das junge Fräulein ihr Studium damit aufbessert, eine … hmmmh … wie nennt man das noch gleich?“
„Nutte!“, warf Annegret hilfreich ein und erntete nur ein energisches Kopfschütteln.
„Nein, nicht so was. Die Art von Frauen, die ihre Freier irgendwo anbinden und sie dann peitschen.“
Louise hustete erneut, da sie sich diesmal am Kaffee verschluckte.
„Himmel, du meinst doch nicht etwas eine Domina?!“
„Korrekt, Annegret. Domina! So heißt das. Danke. Ja, sie ist so eine.“
„Und woher willst du das so genau wissen? Du hast sie doch noch nie dabei gesehen, oder?“
„Wartet es ab. Heute um 17 Uhr kommt einer ihrer Freier. Der Mysteriöse, wie ich ihn nenne.“
„Der Mysteriöse? – Was soll denn dies nun wieder bedeuten?“
„Die anderen Herren habe ich alle verschwinden sehen, nachdem ihre Besuchszeit bei Ramona abgelaufen war. Doch der Mysteriöse ist einfach nicht zu erwischen. So sehr ich mich auch auf die Lauer lege. Ich sehe ihn nicht das Haus verlassen.“
Erstaunen spiegelte sich in den Gesichtern der Gäste wieder.
„Kann es vielleicht sein, dass du dir das Ganze nur einbildest? Ich will dir wirklich nicht zu nahetreten, doch ist es eventuell möglich, dass sie ganz normalen Besuch hat und die sich nur irgendwelche seltsamen Filme anschauen. Da muss doch nichts dabei sein.“
Margret schaute beleidigt drein. Wie konnte es Annegret nur wagen, an ihrer Aussage zu zweifeln? Doch in ungefähr zehn Minuten würden sie sich selbst überzeugen können. Margret hatte die beiden eigentlich nur deswegen eingeladen, weil sie sich so erhoffte, den Mysteriösen endlich zu entlarven. Die Freundinnen konnten ihre zusätzlichen Augen und Ohren sein. Es war zweifelsohne klar, dass der Mysteriöse nicht bei Ramona übernachtete, doch verschwand er auch nicht durch die Vordertür und Margret weigerte sich anzunehmen, dass er durchs Fenster stieg. Wo blieb er also ab?
„Es ist wichtig, dass wir nur noch ganz leise miteinander flüstern, wenn es nebenan losgeht!“
„Wieso denn das? So hellhörig sind doch deine Wände auch wieder nicht“, warf Annegret ein und Louise nickte bestätigend.
„Da habt ihr Recht. Doch vor kurzem entdeckte ich eine Klappe für einen Belüftungsschacht hinter der Tapete, als das Wohnzimmer renovieren ließ. Und wenn ich die öffne, können wir genau hören, was nebenan geschieht. Allerdings funktioniert es umgekehrt ebenso. Ich bin mir allerdings sicher, dass Ramona von dem Schacht keine Kenntnis hat. Anderenfalls wäre sie nicht so sorglos.“ Margret lachte.
Verwundert wurde sie von den Freundinnen angeschaut.
„Also, ich weiß nicht, ob das nicht zu weit geht. Schließlich verletzt du die Privatsphäre deiner Nachbarin.“
Margret winkte ab. „Ihr versteht das falsch. Ich verletzte hier gar nichts. Ich passe lediglich auf das junge Ding auf. – Wenn nicht ich, wer sonst? Sie ist doch eine alleinstehende Studentin und ihrer Familie lebt in einer anderen Stadt.“
Die beiden Gesprächspartnerinnen lächelten. Margrets Erklärung klang einleuchtend für sie. Somit hatten sie keine moralischen Bedenken mehr, dass Margret die Klappe des Belüftungsschachtes öffnete.
Wie magisch davon angezogen, versammelten sie sich davor und lauschten.
Es funktionierte tatsächlich.
Deutlich war sogar das entspannte Summen zu vernehmen, das Ramona von sich gab. Offenbar machte sie sich bezüglich des bevorstehenden Kundenbesuches keine Sorgen. Die Damen konnten sogar hören, wie hochhackige Schuhe über den Boden gingen. Von der Geräuschkulisse war davon auszugehen, dass Ramona die Wohnung nicht vollständig ausgelegt hatte, sondern lediglich kleine Teppiche auf dem Linoleum verteilt hatte. Es klopfte.
In diesem Moment ärgerte sich Margret, dass sie nicht Posten an ihrer Wohnungstür bezogen, sondern sich zu den Freundinnen gesellt hatte. Leichtfertig hatte sie ihre Chance vertan, den Mysteriösen zu sehen.
Nun war es zu spät. Ramona öffnete die Tür.
„Herrin, seid gegrüßt!“, drang es unterwürfig durch die Öffnung des Schachtes.
„Kannst froh sein, dass du mich nicht warten ließest. Los, gehe ins Badezimmer und reinige dich, bevor du mir nackt unter die Augen treten darfst.“
„Jawohl, Herrin. Wie ihr befehlt.“
Rasche Schritte entfernten sich, während sich Ramona mit einem tiefen Seufzer offenbar auf ihre Couch setzte.
„Die ist aber unhöflich zu ihm“, bemerkte Louise etwas lauter als beabsichtigt und musste es sich gefallen lassen, von den Freundinnen mit einem energischen „Psst“ bedacht zu werden. Sofort legte Louise die Hand vor den Lippen und nickte.
„Ach, was soll ich nur mit ihm heute anstellen?“, stellte Ramona die Frage in den leeren Raum.
Die Bemerkung hatte allerdings zur Folge, dass sie die illustere Damenrunde interessiert auf den Stühlen nach vorn lehnten. Jede von ihnen war gespannt darauf, was als Nächstes folgen würde. Die bisherige Unterhaltung hatte bewiesen, dass Margret nicht übertrieben hatte. Die Sensationslust war geweckt. Nun wollte keine von ihnen etwas verpassen. Was nebenan geschah, war einfach zu ungewöhnlich, um es zu ignorieren. Und außerdem war es genau, wie Margret erklärte; sie passten lediglich auf die blutjunge Frau auf. Obwohl er sehr unterwürfig und leise sprach, war für die Damen deutlich herauszuhören gewesen, dass der Mysteriöse deutlich älter als Ramona sein musste. Gebannt lauschten sie weiter. Doch nichts geschah.
Dann war ein Ächzen der Couch zu vernehmen und das Klacken der Schuhe auf dem Boden. Offenbar war es Ramona zu langweilig geworden, auf den Mysteriösen zu warten. Ihre Schritte entfernten sich und man hörte eine leicht knarrende Tür.
„WAS FÄLLT DIR EIN?“
Ratlosigkeit auf den Gesichtern der Damen. Zwei Sekunden geschah nichts. Dann hörte man ein schallendes Geräusch, gefolgt von einer Schimpftirade.
„Hatte ich dir nicht verboten, vor unserer Session zu wichsen?“
Wieder ein schallendes Geräusch. „Du verdammter kleiner Dreckskerl holst dir in meinem Badezimmer einen runter, während du an meinen Slips riechst. Das ist widerlich, du kleines Dreckstück.“
„Verzeiht mir, Herrin“, flehte der Mysteriöse verzerrt. Es klang so, als würde Ramona ihm die Wangen zusammendrücken und er daher seine Aussprache verhindern.
„Verzeihung hast du nicht verdient, sondern meinen Zorn. Und ich werde dich lehren, was es bedeutet, mich zu verärgern.“
Erneut ertönte das schallende Geräusch, diesmal sogar lauter.
„Ich glaube, dass sie ihn ohrfeigt“, flüsterte Louise und stellte damit das Offensichtliche fest.
„Psst…“, kam nur von Annegret, die nun unbedingt wissen wollte, wie es weiterging.
„Stell dich in die Wanne“, befahl Ramona schroff.
Anhand der Geräusche war zu erkennen, dass er ihren Befehl nachkam. Kaum dass Ramona erreicht hatte, was sie verlangte, rauschte das Wasser und ein hoher Schrei war zu vernehmen.
„Zeit, dass du dich abkühlst, du Schmutzfink.“ Ramona lachte. „Offensichtlich gefällt das deinem Schwanz überhaupt nicht, so klein, wie der plötzlich ist. Das Wasser ist wohl zu kalt, was?“ Der Hohn in der Stimme war unüberhörbar.
„Verzeiht mir, Herrin“, kam es bibbernd zurück. „Es tut mir leid!“
„Das wette ich. Allerdings wirst du noch genau zwei Minuten unter dem kalten Strahl stehen bleiben. Schließlich will ich nicht, dass ich mit deiner Wichse in Berührung komme. Du willst mich doch nicht beleidigen?“
„Nein, nein … Selbstverständlich will ich das nicht, Herrin.“ Das Sprechen schien ihn schwer zu fallen. Das Klappern der Zähne war unverkennbar.
Ramona hielt Wort. Nach exakt zwei Minuten drehte sie den Kaltwasserhahn zu.
„Trockne dich ab. Und dann kommst du auf alle vier zu mir ins Wohnzimmer gekrochen. – Nackt, wie du bist. Ich bin noch lange nicht mit dir fertig. Ich habe noch nicht einmal angefangen, dich zu strafen.“
Auf den Gesichtern der Freundinnen spiegelte sich die empfundene Spannung wieder. Etwas derartig Aufregendes hatten sie wirklich nicht erwartet. Sie atmeten flach, als ob sie befürchteten, ihre Anwesenheit würde so verraten werden.
Die Schritte wurden lauter. Unüberhörbar betrat Ramona ihr Wohnzimmer. Die Schritte stoppen erst, als sie unmittelbar vor der Wand stand, auf dessen anderer Seite die Zuhörer versammelt saßen. Sicherheitshalber gab Margret ihren Gästen über Handzeichen zu verstehen, dass diese keinen Ton von sich geben sollten. Es war damit zu rechnen, dass Ramona sonst deren Anwesenheit bemerkte und das Spiel vermutlich abbrach.
Dumpfere Laute drangen nach kurzer Zeit zu ihnen herüber. Fragend blickten sie sich an.
„Krieche gefälligst etwas schneller!“, bellte Ramona. „Ich habe keine Lust auf dich widerlichen Wurm zu warten.“
Die Platschlaute intensivierten sich. Margret vermutete, dass sich der Mysteriöse beeilte. Dann hörten sie auf. Vermutlich hatte er seine Herrin erreicht.
„Glaubst Du wirklich, dass es dir eine Vergünstigung einbringt, dass du vor mir kniest und mir die Stiefel küsst?“ Ramona lachte auf. „Du hast meinen getragenen Slip aus dem Wäschekorb genommen und daran gerochen, während du dir einen runtergeholt hast.“
„Straft mich, wie ihr es für richtig haltet, Herrin!“
Wieder lachte Ramona auf. „Das wäre ja noch schöner, wenn ich mir von dir sagen lassen würde, was ich mit dir machen soll, du kleines perverses Miststück.“
Louise blickte so pikiert drein, als sie Ramona Ausdrucksweise hörte, dass Margret beinah zu lachen verleitete. Sie wusste, wie sehr Louise die junge Studentin für ihre vornehme Art immer bewunderte und nun erlebte sie genau das Gegenteil.
„Leg dich auf den Rücken.“
Offenbar gehorchte der Mann, denn wenig später hörte man ihn schmerzlich aufstöhnen.
„Das gefällt dir wohl nicht so, dass ich meinen Absatz in deinen Sack bohre? – Doch genau diese Behandlung verdienst du. Ich werde dir deine widerlichen Eier zertreten.“
„Um Gotteswillen!“ entfuhr es Louise und wurde sofort von Margret panisch angewunken, die Stimme zu senken. „Soll man da nicht die Polizei rufen?“
Annegret schüttelte entschieden den Kopf.
„Beruhig dich, Louise, was zwischen einer Domina und ihren Sklaven läuft, ist vorher abgesprochen. Die spielen nur.“
Verblüfft wurde sie nun von beiden Seiten angesehen.
Offenbar hatte Ramona nichts von den heimlichen Zuhörern mitbekommen, da sie sich nach wie vor mit ihrem Gast beschäftigte. Er stöhnte immer noch schmerzverzerrt auf.
„Ja, das missfällt dir. – Doch ist das erst der Anfang. Beine hoch!“
„Wieso soll er denn die Beine hochnehmen?“, raunte Louise verwundert.
„Sicherlich will sie ihn in der Internatsstellung bestrafen“, kommentierte Annegret.
„Internatsstellung?“, zischte Louise und sah fragend zu Margret rüber, die ebenfalls nur mit den Schultern zuckte.
„Bei der Internatsstellung liegt der Zögling auf dem Rücken, während der Aktive die Beine nach hinten drückt, um ihm so den Hintern versohlen zu können. Je nachdem, wie weit entfernt der Spanker vom Spankee ist, kann er diesen entweder mit der Hand versohlen oder ein Utensil zur Hilfe nehmen. So oder so ist die Stellung für den Spankee unangenehm, da sich die Muskulatur wesentlich mehr spannt als bei einer übergelegte Position.“
Erstaunt starrten die Freundinnen Annegret an. Nie hatte etwas darauf hingedeutet, dass Annegret über ein derartiges Wissen verfügte.
„Woher weißt du so etwas?“, konnte sich Margret die Frage nicht verkneifen und bemühte sich so leise wie möglich zu sprechen.
„Ich lese sehr viel“, gab Annegret zurück und legte den Finger auf die Lippen, während sie auf die Wand deutete.
Die anderen fragten nicht mehr, sondern widmeten sich wieder dem Zuhören.
„Dann wollten wir mal sehen, wie du den Rohrstock in dieser Stellung kalt verträgst. Bisher warst du ja diesbezüglich ein Weichei.“
Das Zischen des ersten Hiebes war zu hören und der sofortige Aufschrei.
„Hab dich nicht so! Das ist erst der Anfang. Zwei Dutzend davon wirst du Baby ja wohl aushalten.“
Wieder schlug sie zu und erntete einen unterdrückten Schrei. Es hörte sich so an, als presste der Mann etwas gegen seine Lippen, um seine Schreie einzudämmen. Annegret äußerte die Vermutung, dass es sich um seinen Arm handelte.
Obwohl weder Margret noch Louise darauf etwas erwiderten, war ihnen anzusehen, dass ihnen Annegrets Wissen zu spezifisch war.
„Zwei Dutzend. Das sind vierundzwanzig Rohrstockschläge“, erklärte Louise kopfschüttelnd. „Das sind wahnsinnig viele. Früher in der Schule gab es normalerweise sechs, maximal aber zwölf mit dem Rohrstock. Und das war schon unerträglich. Armer Mann.“
„Rede doch nicht so einen Stuss, Louise. Wir waren damals Schulkinder und hatten keinen Gefallen daran. Was dieser Mann nebenan tut, ist freiwillig. Er ist ein Sklave, der Strafe braucht. Glaub mir, dem gefällt das. Zwei Dutzend sind für den nur ein Aufwärmtraining. Glaub mir, da wird noch einiges folgen“, erklärte Annegret ruhig und fügte anerkennend hinzu: „Die ist übrigens gut.“
Die fragenden Seitenblicke ihrer Freundinnen bekam sie gar nicht mit. Margret war mittlerweile davon überzeugt, dass Annegrets Wissen unmöglich nur vom Lesen allein rühren konnte. Die Neugierde, diese Angelegenheit durch eine gezielte Befragung zu erklären, war geweckt.
Ramona schenkte ihrem Besucher offenbar wirklich nichts. Sie zog die versprochenen vierundzwanzig Hiebe durch. Jeder Schlag wurde mit einem gepressten Schmerzlaut begleitet, obwohl sich der Mann offenbar bemühte, diesen zu verhindern. Bei jedem Hieb geschah es allerdings, dass Louise zusammenzuckte. Es wirkte gar so, als würde sie die Schläge erhalten und nicht der Sklave nebenan. Betrachtete Margret ihre Freundinnen, konnte der Unterschied nicht größer sein. Louise litt unverkennbar mit dem Freier und ließ anhand ihres Mienenspiels erkennen, wie sehr sie ihn bedauerte. Während hingegen Annegret eindeutig auf der Seite Ramonas stand. Sie machte sogar die Schlagbewegung mit, obwohl es nur einem dezenten Andeuten gleichkam. Doch nichtsdestotrotz wurde diese ausgeführt.
Margret glaubte auch ein gewisses Leuchten in Annegrets Augen zu erkennen, als diese zu ihr rüberblickte. Offenbar hatte ihr die langjährige Freundin eine interessante Leidenschaft verheimlicht.
„Glaube bloß nicht, dass dies schon alles war. Ich werde dir heute gründlich den Arsch auspeitschen.“
„Ja, Herrin!“, folgte es keuchend.
„Seht ihr, was habe ich gesagt?“, bemerkte Annegret und sah triumphierend zu den Freundinnen.
Margret kam nicht umhin, eine gewisse Bewunderung für Annegret zu empfinden.
„Stehe auf und zeig mir deinen Arsch“, befahl Ramona und fügte einige Sekunden später hinzu: „Die Striemen sind schon nicht schlecht. Doch bei weitem nicht alles, was du zu spüren bekommst. Gehe und hole das kleine Holzpaddel, ich habe Lust dich übers Knie zu legen und dich quieken zu hören, wenn ich dir den Schinken weichklopfe.“
Platschende Schritte entfernten sich und kehrten wenig später ebenso zügig zurück.
Die Damen nahmen an, dass sich Ramona mittlerweile hingesetzt hatte, denn sie forderte ihren Sklaven nach dessen Rückkehr unvermittelt auf, sich über ihren Schoß zu legen.
„Halte den Arsch hübsch raus – und wage es ja nicht, nach hinten zu greifen. Du weißt, was dann passiert.“
„Ja, Herrin.“
„Was passiert, wenn er nach hinten greift?“, wagte Louise die Frage in den Raum zu flüstern.
„Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Entweder sie gibt ihn eins auf die Finger oder zählt den Schlag nicht. Möglich wäre auch, dass sie mit der Bestrafung von vorn anfängt, oder sie gibt ihm in Anschluss Extrahiebe. – Kommt drauf an, welche Regeln sie diesbezüglich festgelegt haben. Jede Domina handhabt das anderes.“
Mittlerweile wunderte sich Margret nicht mehr über Annegrets Aussagen, sondern hatte den Verdacht, dass ihre Freundin ebenfalls eine Domina gewesen oder möglicherweise sogar noch immer war. Etwas Herrisches hatte sie schon immer an sich gehabt. Margrets Gedankenkette wurde unterbrochen, als wieder klatschende Geräusche von nebenan zu hören waren. Diesmal war die Frequenz der Schläge wesentlich höher und schneller. Ramona hatte mit ihrer bissigen Bemerkung nicht übertrieben. Der Freier quiekte tatsächlich, als sie ihm das Paddel auf den Hintern schlug. So, wie es sich anhörte, musste Margret davon ausgehen, dass sein Hinterteil bereits schon ziemlich rot sein musste. Ramonas begleitende Kommentare legten den Verdacht nahe, dass sie die Behandlung des Mannes genoss. Skrupel hatte die junge Frau offenbar nicht. Im Gegenteil. Sie machte sich permanent über ihn lustig, wenn das Paddel hart auf seinen Po auftraf. Sie zollte ihm weder Anerkennung, noch versuchte sie, ihm Trost zu spenden. Stattdessen fuhr sie ihn regelrecht dafür an, dass er sein Becken auf ihrem Schoß nicht stillhalten konnte. Fortwährend machte sie sich über die zunehmende Rötung seines Hinterteils lustig und wurde denn noch nicht müde, ihm weiterhin den nackten Hintern zu verprügeln.
Unentwegt schüttelte Louise den Kopf. „Da sollte man doch einschreiten. … Das ist doch nicht normal … Lasst uns die Polizei rufen!“, flehte sie mittlerweile und blickte ihre Freundinnen mitleidig an.
„Nein! Misch dich da nicht ein, Louise. Da drüben passiert nichts, wofür sich die Polizei interessieren würde. Glaub mir, auch wenn der Typ schreit, zappelt und fleht, möchte der nicht tauschen. Ihm gefällt es. Er braucht den Schmerz. Und so, wie sie ihn verbal erniedrigt, fährt er darauf ab.“
„Annegret, woher weißt du dass alles? Und komm mir jetzt nicht mit der Begründung, dass du dir das angelesen hast“, fragte Margret energisch nach. Nun wollte sie es wissen und sich nicht mehr mit billigen Ausflüchten abspeisen lassen.
Auffordernd schauten sie und Louise zu ihr rüber.
Betont langsam nahm Annegret noch einen Schluck Kaffee und deutete auf die Wand.
„Ich werde es euch nachher verraten. Zunächst sollten wir uns die Session zu Ende anhören. Bin mal gespannt, ob sie nur beim Spanking bleibt, oder sie ihm noch einen Butt Plug verpasst.“
Margret war fassungslos.
Louises Gesichtsausdruck zufolge ging es ihr ähnlich. Ihre intimste Freundin war im Begriff, ein jahrelang gehütetes Geheimnis zu lüften. Und dabei hatte Margret gedacht, sie wäre heute diejenige, die die Freundinnen schockieren würde.
„Ich liebe es, wenn dein kleiner Schwabbelarsch so richtig rotgehauen ist. – Du nicht auch?“
„Ja … Herrin … ja“, stöhnte der Mysteriöse und äußerte seinen Schmerz durch mehrere laute Stöhngeräusche.
„Du zappelst mir zu viel. So macht es mir keinen Spaß. Außerdem schwitzt du. Ich finde es ekelig, wenn du auf meinem Schoß schwitzt. Stehe auf und gehe dich duschen. Doch wag es nicht, warmes Wasser zu benutzen. – Du kleines Schwein hast dieses Privileg nicht verdient.“
„Ja, Herrin!“
„Kann der eigentlich nichts anderes sagen, als nur „Ja, Herrin“?“, erkundigte sich Louise naiv.
„Du hast das Verhältnis zwischen den beiden immer noch nicht begriffen. Sie ist seine Domina. Er unterwirft sich freiwillig, weil er Dominanz braucht.“
„Das muss ja im wahren Leben ein rechtes Würstchen sein!“
„Irre dich da mal nicht, Louise. Die meisten Männer, die dieses Bedürfnis verspüren, sind häufig in verantwortungsvollen Positionen zu finden. Nie würdest du erraten, wie es in ihrem Inneren aussieht. Sich so unterwerfen zu können wie der Mysteriöse ist kein Zeichen von Schwäche.“
„Na, ich weiß nicht.“
„Wieso bist du so negativ? Überlege doch mal. Dieser Mann begibt sich freiwillig in die Hände dieser Frau. Er weiß genau, dass sie mit ihm nichts machen wird, das nicht zuvor abgesprochen ist. Und höre sie dir doch mal genauer an. Die Ruhe, die sie ausstrahlt. In ihrer Stimme ist nichts, was auf Aggressivität oder Gewaltbereitschaft hindeutet. Wenn er abbrechen will, wird sie ihm dies gewähren.“
„Ich weiß nicht!“, gab Louise zu, während Margret mittlerweile Annegrets Ausführungen folgen konnte und sie verstand.
Was die Freundin von sich gab, ergab für sie einen Sinn und hörte sich in gewisser Weise wie die perfekte Beziehung an. Etwas, was sie in dieser Form nie erlebt hatte. Sie war seit über dreißig Jahren mit ihrem Mann verheiratet gewesen, doch wahre Leidenschaft hatten sie nie erreicht. In den Anfangsjahren zwar etwas, was ansatzweise als wilder Sex durchgehen konnte, doch beschränkte sich dies eher auf einen spontanen Geschlechtsverkehr als auf ihre normale Beischlafmethode. Trotz ihres Alters musste Margret zugeben, dass sie die junge Frau nebenan bewunderte. Ramona lebte ihre Neigung aus. Etwas, wozu sie nie den Mut gefunden hatte. Zwar glaubte Margret nicht, dass sie bei ihren Empfindungen von einer wahren Neigung sprechen konnte, doch musste sie sich eingestehen, dass das wochenlange heimliche Zuhören ihre Phantasie ganz schön beflügelt hatte. Sie selbst konnte sich nicht vorstellen, einen Mann so zu behandeln, wie sie es von Ramona zu hören bekam, doch hätte sie nichts dagegen gehabt, zumindest, als sie jünger war, auch einmal übers Knie gelegt zu werden. Das hatte schon immer einen Reiz auf sie ausgeübt. Doch leider war ihr Mann für derartige Aufmerksamkeiten einfach zu unbedarft gewesen. Sie hatte schon dass eine oder andere Mal versucht, ihn dazu zu provozieren, ihr den Hintern zu versohlen. Doch Herbert war einfach zu korrekt dafür. Stattdessen hatte er sich lange und breit auf eine Diskussion eingelassen, um das jeweilige Problem vernünftig aus der Welt zu schaffen.
Damals dachte Margret, dass sie mit ihrem Wunsch nach ein wenig strenger Eheerziehung allein stand und möglicherweise verrückt war. Und ausgerechnet heute erfuhr sie praktisch nebenbei von ihrer Freundin, dass dieses gar nicht so ungewöhnlich war und der Wunsch nach Unterwerfung nichts mit Schwäche zu tun hatte. Schon allein für diese Aussage war Margret dankbar. Es war ihr, als fiel eine Last von ihr ab. Sie fühlte sich erleichtert.
„Du hast mich warten lassen!“
„Verzeihung, Herrin!“
„Stell dich darüber und bück dich. Ich will mir deinen Arsch ansehen“, kam es schroff.
„Muss sie eigentlich immer Arsch sagen?“, echauffierte sich Louise und musste sich erneut gefallen lassen mit einem entschiedenen „Psst“ bedacht zu werden.
„Ich weiß nicht, wieso du dich so anstellst. Die paar Rohrstockhiebe und das Paddel waren doch nichts Besonderes. Das war doch eher ein Sonntagsspaziergang als eine Strafe. Eine Strafe soll aber keinen Spaß machen, sondern man soll sie als unangenehm und peinlich empfinden. – Korrekt?!“
„Korrekt, Herrin!“
„Daher werde ich dir jetzt den Butt Plug reinschieben. Ich weiß doch, wie sehr du ihn hasst.“
„Bitte nicht, Herrin!“
Als Antwort schalte ein lautes Klatschen durch den Raum und ein Aufschrei war zu hören.
„Halts Maul, ich bestimme, was gemacht wird. Halte deine Arschbacken auseinander, damit ich ihn dir tief einführen kann. Und anschließend stellst du dich vors Fenster. Hände auf den Kopf und wartest auf den Weiterverlauf deiner Bestrafung.“
„Aber man wird mich doch durchs Fenster sehen können“, wandte der Mysteriöse ein und bereute seine Bemerkung bitterlich.
Kaum hatte er ausgesprochen, waren mehrere Klatschgeräusche zu hören und ein Aufstöhnen.
„Nach deiner Meinung habe ich nicht gefragt. Wenn man dich sieht, ist es dein Problem – nicht meines.“
„Ja, Herrin.“
Danach folgte ein gepresstes Stöhnen. Die Damen mussten davon ausgehen, dass Ramona ihr Vorhaben in die Tat umsetzte.
Margret erhob sich. Sie hatte ihre Chance erkannte, endlich den Mysteriösen zu sehen. Da sie genau wusste, wie Ramonas Wohnung geschnitten war, wollte sie nach draußen gehen und vom Garten aus ins Fenster schauen. Auf diese Weise musste es ihr gelingen, endlich die Identität des Mysteriösen zu lüften. Das Nichtwissen machte sie einfach unzufrieden.
Verwundert sahen Louise und Annegret zu ihr herüber, als sie den Raum verließ. Durch Handzeichen versuchte sie zu erklären, was sie vorhatte. Annegret verstand sofort und grinste wissend zu ihr herüber, während Louise immer noch nicht begriff.
Margret öffnete leise ihre Wohnungstür und trat auf Zehenspitzen in den Flur hinaus. Schleichend verließ sie das Haus und lief in den Garten hinaus. Sie tat so, als wäre sie zufällig hier und benahm sich unauffällig. Immer wieder schielte sie zu Ramonas Wohnung hoch. Und in der Tat konnte sie hinter der Gardine eine hochgewachsene Gestalt ausmachen. Obwohl der Stoff seine Umrisse weichzeichnete, war es dennoch eindeutig, dass es sich dabei um einen Mann handelte. Schaute man genauer hin, erkannte man sogar, dass dieser unbekleidet war. Doch aufgrund des Blickwinkels und des Gardinenstoffes gelang es ihr nicht, das Gesicht zu erkennen. Es war wie verhext. Der Mysteriöse blieb unbekannt.
Enttäuscht ging sie ins Haus zurück und wurde erwartungsvoll von den Freundinnen angeblickt.
„Und wer ist es?“
„Keine Ahnung.“ Margret zuckte mit den Schultern. „Ich konnte durch den Stoff nichts erkennen.“
„Jetzt ärgerst du dich, dass du Ramona deine alten Gardinen gegeben hast. Tja, Ironie des Schicksals“, foppte Annegret.
Margret ging auf die Bemerkung nicht ein. Sie hatte ja Recht.
„Komm her und bück dich“, kam der harsche Befehl.
Anhand der Schritte war darauf zu schließen, dass er gehorchte.
„Ich entferne jetzt den Butt Plug.“
„Danke, Herrin!“
„Du beugst dich über die Sofalehne. Hältst dabei deinen Arsch schön brav raus und dein Gesicht bleibt in der Nähe meines getragenen Höschens. Ich werde dir schon den Spaß an meinem Geruch verderben.“
Kurz darauf hörte man erneut klatschende Geräusche. Doch diese unterschieden sich von denen, die sie bereits vom Rohrstock und vom Holzpaddel her kannte. Ramona machte auch keine Angaben darüber, mit was sie ihren Sklaven züchtigte. So sah sich Annegret genötigt, eine fachkundige Stellungnahme abzugeben.
„Ich tippe auf Twase. Klingt zumindest so.“
„Was ist eine Twase?“, wollte Louise wissen.
„Eine Twase ist ein ledergürtelähnliches Züchtigungsuntensil. Wurde damals traditionell bei der Bestrafung an schottischen Schulen eingesetzt. Brennt ganz ordentlich, wenn man sie richtig einsetzt. – Und so, wie er stöhnt, legt sie ordentlichen Zug in die Schläge. Respekt!“
Danach sprach niemand mehr ein Wort. Stumm hörte man sich das Klatschen, gefolgt von einem Stöhnlaut, an. Jede von ihnen hing ihren eigenen Gedanken nach und ging mit der Situation entsprechend um. Margret kam nicht umhin, sich darüber zu ärgern, dass sie nichts sehen konnte. Das stete Klatschen, gepaart mit den Schmerzlauten, wirkte nicht abstoßend auf sie, sondern berührte sie zutiefst. So sehr, dass sie in diesem Moment so etwas wie Neid auf den Mysteriösen empfand. Es war deutlich zu hören, dass er eine ordentlichen Tracht Prügel bezog, diese allerdings nicht so wirkte, als sei sie wirklich brutal ausgeführt. Es war geradezu so, als würde der gegenseitige vorherrschende Respekt mit den Geräuschen herübergetragen. Je mehr sie zuhörte, umso bewusster wurde ihr, wie sehr sie eine derartige Behandlung zu schätzen gewusst hätte. Nun war es zu spät. Sie war seit fünf Jahren Witwe. In ihrem Alter würde sich keine Gelegenheit mehr ergeben, das Versäumte nachzuholen.
Das Klatschen hörte auf.
„Hast dich gut gehalten. Dir ist verziehen! Richte dich jetzt auf.“
„Danke, Herrin“, kam es keuchend zurück. Die körperliche Strapaze war dem Sprecher anzuhören.
„Hast du mir nicht noch etwas zu sagen, bevor du dich anziehen darfst?“
„Ich danke für die Erziehungsmaßnahme und werde euch nie wieder durch mein widerliches Verhalten beleidigen, Herrin.“
„Das ist gut so. Und nun mach dich fertig.“
Danach wurde es nebenan ruhig. Es dauerte ungefähr zehn Minuten, bis man wieder etwas hörte.
„Hier ist der Umschlag mit dem Geld. – Kann ich in vier Wochen einen weiteren Termin haben? Bis dahin sollte mein Po wieder vollkommen in Ordnung sein. Diesmal hast du ihn mir aber auch wirklich gut versohlt.“
„Ich tue mein Bestes“, kam es erheitert von Ramona zurück. „Nächsten Monat ist kein Problem. Wir sehen uns dann zur selben Zeit. Also, mach dir keine Gedanken bezüglich des Termins.“
Dann wurde die Tür geöffnet.
Margret fiel in diesem Moment siedendheiß ein, dass dies ihre Chance war. Hastig hievte sie sich aus dem Sessel und lief zur Wohnungstür. Der Blick durch den Spion zeigte nur einen leeren Flur. Sie war zu spät. Wieder einmal war ihr der Mysteriöse entwischen. Und diesmal durch ihre eigene Trägheit.
Kapitel 2
„Uhhhuuuu … die Wohnung ist toll!“, frohlockte eine junge weibliche Stimme, während sie dabei in die Hände klatschte.
Verwundert öffnete Margret die Augen. Der Lärm, der von nebenan drang, hatte sie aus dem Mittagschläfchen gerissen, obwohl die Sprecherin noch nicht einmal allzu laut war. Margret war es einfach nicht mehr gewohnt, dass Geräusche aus der Nachbarwohnung drangen.
Seit dem mysteriösen Verschwinden Ramonas vor mehr als einem halben Jahr war die Wohnung verwaist gewesen. Offenbar hatten Ramonas Eltern die Hoffnung auf eine rasche Rückkehr ihrer Tochter aufgeben und die Wohnung zur Vermietung freigegeben. Persönliche Gegenstände waren schon vor einiger Zeit abgeholt worden.
Damals hatte sie ein paar Worte mit den Eltern wechseln können. Hatte bedauert, dass sie der Polizei nichts über den Verbleib von Ramona sagen konnte. Dieses Gespräch hatte sie in eine schwere Gewissenskrise gestürzt. Doch letztendlich hatte sie auf Annegrets Rat gehört und nichts von Ramonas Dominatätigkeit verlauten lassen. Für die Eltern wäre dies sicherlich ein zusätzlicher Schock gewesen und hätte ihnen nur noch mehr Schmerz bereitet, während sie der Polizei nichts Sachdienliches hätte sagen können.
Im Nachhinein hatte Margret eingesehen, wie Recht Annegret hatte. Hätte sie eine Aussage gemacht, dann wäre unmittelbar ein schlechtes Licht auf sie gefallen, da sie offensichtlich gelauscht hatte. Jeder konnte sich davon überzeugen, das die Wände nicht derartig hellhörig waren, dass man ganze SM-Sessions von nebenan mithören konnte. Sicherlich hätte man Margret dazu gebracht ihr Geheimnis, bezüglich des Lüftungsschachtes preiszugeben. Und damit hätte sie sich unmöglich gemacht. Niemanden wäre damit geholfen, dass sich Margret ans Messer lieferte. Für alle Beteiligten war es besser, wenn sie nach wie vor ein wachsames Auge und Ohr hatte. Zumal es sie immer noch ärgerte, die Identität des Mysteriösen nicht aufgedeckt zuhaben. Möglicherweise steckte er hinter dem plötzlichen Verschwinden der jungen Studentin. Wer wusste schon, zu was diese Perversen fähig waren?
„Ich finde sie ziemlich klein, wenn ich ehrlich bin!“, gab eine markante männliche Stimme zu bedenken. „Wir würden uns nur gegenseitig auf die Pelle rücken.“
„Vielleicht will ich das ja!“ Ein Schmatzgeräusch, das auf einen Kuss hindeutet, war zu vernehmen. „Du weißt doch, dass ich nicht genug von dir bekommen kann, Valerio!“
Ein dumpfes Geräusch erfolgte, der ähnlich klang, als würde jemand einem anderen einen festen Klaps auf den Hosenboden verabreichen. Dem Lauf folgte ein erfreutes Aufjuchzen.
„Und, wenn wir erst einmal unsere eigenen vier Wände hätten, dann kannst du mir häufiger den Hintern versohlen“, gluckste die junge Frau.
Plötzlich war Margret hellwach. – Hatte sie sich etwa gerade verhört? Margret erhob sich von der Couch und öffnete den Lüftungsschacht nun vollständig. Sie hatte sich zur Angewohnheit gemacht, diesen halb geöffnet zu lassen, für den Fall, dass Ramona eventuell doch wieder zurückkehren würde. Leider hatte sie die Hoffnung diesbezüglich schon lange aufgeben müssen.
Wieder folgte ein dumpfer Klapslaut.
„Wenn du dich nicht benimmst, lege ich dich sofort übers Knie und der Verwalter kann dabei zusehen“, neckte der Mann mit einem Lachen in der Stimme.
„Ich mag es, wenn du dich streng gibst. Doch Spanking vor Publikum liegt mir nicht.“
„Dann sei brav, sonst mache ich es gerade deswegen“, frotzelte er.
Perplex starrt Margret auf den Belüftungsschacht. Konnte es möglicherweise an der Wohnung liegen, dass Spanking nebenan zur Normalität zählte? Sie konnte sich die Frage nicht beantworten. Freute sich allerdings insgeheim darauf, dass sie in Zukunft mit interessanten Geräuschen von gegenüber zu rechnen hatte. Langweilig war dieses Haus mit Sicherheit nicht. Zumindest, was die letzten beiden Mieter anbelangte.
„Entschuldigen Sie, dass ich Sie alleine ließ, doch das Gespräch war wichtig und privat. – Jetzt bin ich wieder ausschließlich für Sie da.“
Margret kannte die Stimme zur Genüge. Das war Herr Hansen, der Verwalter.
„Wir nehmen die Wohnung“, behauptete der Mann und erreichte damit ein aufgeregtes Quieken der jungen Damen. „Sie ist zwar ein wenig klein, doch die Vorteile liegen auf der Hand.“
Erneut vernahm Margret ein leichtes Klapsgeräusch und begriff sofort, dass er seine Behauptung damit untermauern wollte. Sicherlich begriff Herr Hansen nicht, was diese Geste in Wahrheit zu bedeuten hatte. Für ihn musste es aussehen wie der neckische Klaps eines verliebten Paares.
„Wenn Sie wünschen, können wir den Mietvertrag sofort fertigmachen. Ich habe einen im Auto, denn ich holen könnte.“
„Ja, tun Sie das“, bestätigte Valerio.
Schritte entfernten sich und offensichtlich verließ Herr Hansen die Wohnung.
„Dir ist ja wohl klar, dass von nun an ein anderer Wind herrscht!“
„Ich weiß, gar nicht was du meinst“, kam es so naiv unschuldig von ihr, dass Margret sofort hört, wie aufgesetzt es war.
„Jetzt wo wir zusammenwohnen werden, wird fleißig fürs Studium gelernt. Keine nächtlichen Partytouren mehr mit deinen Freundinnen, oder irgendwelche Shoppingtouren, die du dir sowieso nicht leisten kannst. Ab sofort stehst du sofort für deine Verfehlungen gerade und nicht erst dann, wenn wir mal alleine sind.“
„Da hast du dir aber einiges vorgenommen, Herr Kommissar“, flötete sie.
„Höre doch endlich auf damit, mich Kommissar zu nennen“, mokierte er sich ernst. „Ich studiere Kriminologie nur im Nebenfach. Da wird nicht automatisch ein Kommissar aus mir.“
„Oh, das sehe ich aber anderes“, lachte sie auf und fügte frech hinzu: „Schließlich steckst du immer überall ungefragt deine Nase rein. Wie ein richtiger Kommissar eben.“
„Na warte, du kleines Luder. Dir werde ich helfen“, kam es neckisch von ihm. „Du bist ganz schön vorlaut. Dir gehört der Hintern versohlt.“
Überrascht schrie die junge Frau, zwischen ihrem Lachen, auf, doch konnte offensichtlich nichts gegen die körperliche Überlegenheit ihres Partners ausrichten.
„Valerio, bitte. Nicht jetzt. Wenn der Verwalter zurückkommt … Das ist peinlich“, flehte sie angestrengt.
„Nicht für mich!“, gab er zurück und schon klatschte es laut durch die Wand.
Das junge Ding begleitete jeden seiner Hiebe mit einem leisen Aua-Ruf, doch offenbar wehrte es sich nicht gegen diese Behandlung. Im Gegenteil, Margret hörte die junge Frau ganz deutlich zwischen ihren Schmerzbekundungen kichern. Das war definitiv nichts Ernstes, sondern Spaß zwischen zwei Verliebten.
Valerio versohlte sie auch nicht lange. Nach ein paar Klapsen war bereits Schluss.
„Na, du kleines Biest! Wie hat dir das gefallen?“
„Gut“, gab sie zurück und küsste ihn, was Margret deutlich an dem Schmatzgeräusch hören konnte.
Margret grinste selig. Was sie bisher von ihren neuen Hausbewohnern mitbekommen hatte, gefiel ihr gut. So eine Beziehung hätte sie sich auch gewünscht.
„Tja, heute müsste man jung sein“, dachte sie wehmütig und hörte, wie Herr Hansen zurückkam.
„So, hier hätte ich den Vertrag.“
„Wann könnten wir einziehen?“, fragte sie.
„Die Wohnung wird nun seit einiger Zeit nicht mehr als solche genutzt und die Mietleistung läuft Ende des Monats aus. Die Kündigung war fristgerecht. Also die Gesellschaft wäre schon daran interessiert, die Wohnung so früh wie möglich zu vermieten.“
„Dann lass uns sofort am Ersten einziehen. Das ist nur noch eine Woche bis dahin. Umzugsmäßig ist es für uns sowieso keine Herausforderung. So viel Möbel haben wir nicht und brauchen wir auch nicht“, warf sie ein.
„Das können Sie theoretisch gern machen. Doch kann ich Ihnen leider nicht vorzeitig die Schlüssel auszuhändigen, da die betreffende Mietpartei noch das Schlafzimmer auszuräumen hat, wie Sie gesehen haben. Außerdem wäre da noch die Sache bezüglich einer Bürgschaft zu klären.“
„Och, das macht mein Papa“, winkte Katja ab. Sie drückte sich näher an Valerio und sah ihn direkt an. „Das Schlafzimmer finde ich sehr schön und die Möbel sehen auch neu aus. Vielleicht wären die Vormieter bereit, sie uns zu überlassen. Dann bräuchten wir uns kein Neues zu kaufen und sparen uns das Aufstellen.“
„Das können Sie natürlich halten, wie Sie wollen. Dennoch wäre da eine formale Kleinigkeit. Der Vermieter besteht bei so kurzfristigen Arrangements auf einen Fürsprecher.“
Margret erkannte ihre Chance und faste den spontanen Entschluss, die Sache in die eigene Hand zu nehmen. Deutlich hatte sie das Gespräch des jungen Paares mitbekommen und gehört, dass er Kriminologie studierte. Zwar nur im Nebenfach, doch war dies für Margret Motivation genug, sich als Fürsprecherin anzubieten. Sie war sich sicher, dass, wenn sie es geschickt anging, in ihm einen potentiellen Verbündeten finden würde. Wenn er ihr schon nicht aktiv helfen wollte, war es dennoch möglich, dass er ihr mit dem einen oder anderen Rat zur Seite stehen konnte. Niemand hatte ihr sonst glauben wollen, dass Ramona nicht einfach ausgezogen, sondern einem Verbrechen zum Opfer gefallen war. Bisher hatte Margret keine Beweise für ihre Behauptung liefern können. Doch ihr Bauchgefühl gab eindeutig zu verstehen, dass sie Recht hatte. Einen Kriminologen in ihrer Reichweite zu wissen, konnte für sie nur vorteilhaft sein, zumal er ihr durch sein dominantes Auftreten sehr sympathisch war. Margret mochte es nicht, wenn Männer zu weich waren.
Die alte Dame beeilte sich, ihren Horchposten zu verlassen und herüberzugehen. Glücklicherweise stand Ramonas ehemalige Wohnungstür sperrangelweit auf, was ihr Erscheinen glaubwürdig machte.
„Entschuldigen Sie, wenn ich mich einmische, Herr Hansen, doch als langjährigste Mieterin im Hause sollte es doch ausreichen, wenn ich mich als die Fürsprecherin der jungen Leute anbiete!“
Verwundert wurde sie von allen Beteiligten angeschaut, als sie sich in die kleine Wohnung schob. Das letzte Mal, als sie diesen Raum betreten hatte, lebte Ramona noch hier. Sie hatte dem jungen Ding die Gardinen vorbeigebracht. Danach war Ramona häufiger zu ihr rüber gekommen, um bei der alten Dame nach dem Rechten zu sehen und ihr kleinere Einkaufsgänge abzunehmen. Margret hatte dies zwar reizend und aufmerksam gefunden, doch wollte sie dem jungen Mädchen nicht auf die Nase binden, wie rüstig sie war. Sie war aktives Mitglied in einem Wanderverein und als solches noch flott auf den Beinen. Doch auf diese Weise konnte Margret ein besseres Auge auf das Mädchen behalten, ohne das es sich überwacht fühlte. Dummerweise war nie das Gespräch auf ihre Dominatätigkeit gekommen. So sehr sich Margret auch angestrengt hatte, es war ihr nicht gelungen, die junge Jurastudentin zu überrumpeln.
„Sie, Frau Schulz?“, fragte der Verwalter verwundert und blickte sie überraschend an.
„Wieso nicht? Ich finde, dass man den jungen Leuten von heute unbedingt eine Chance einräumen sollte.“
„Kennen wir uns?“, erkundigte sich Valerio misstrauisch und reichte ihr zur Begrüßung die Hand. Seine Freundin tat es ihm nach und stellte sich verschüchterten mit „Katja“ vor.
„Margret Schulz“, antwortete Margret und deutete auf die Wand. „Ich wohne nebenan und habe etwas von ihrem Gespräch mitgekommen, als ich in den Garten hinaus wollte.“
Valerio sah sie dennoch misstrauisch an. Grundlos würde die alte Dame nicht einfach eine Fürsprache anbieten. So etwas machte man nicht ohne weiteres.
„Also, wenn alle einverstanden sind, dann vermerke ich Frau Schulz als Fürsprecher und den Formalitäten wäre damit genüge getan“, drängte Herr Hansen, der wirkte, als stünde er unter Termindruck.
„Also, ich wüsste nicht, was dagegen sprechen sollte“, entgegnete Margret mit einem unschuldigen Lächeln.
„Verstehen Sie mich bitte nicht falsch“, setzte Valerio an und sah Margret eindringlich an. „Doch weiß ich wirklich nicht, womit wir Ihr Vertrauen verdient haben sollten. Sicherlich bin ich Ihnen dankbar. Doch sie müssen doch zugeben, dass es mehr als ungewöhnlich ist, für vollkommen Fremde ein Zeugnis abzulegen.“
„Ach, lass sie doch, Valerio. Ich finde das sehr liebenswert“, drängelte Katja und erntete nur einen strengen Blick von ihm, der sie verstummen ließ.
„Sicher, sicher, verstehe ich ihre Vorbehalte. Doch ich verstand mich immer sehr gut mit Ramona, ihrer Vorgängerin. Und da sie nun unter so mysteriösen Umständen verschwunden ist, habe ich mir geschworen, auf die nächsten Mieter besser aufzupassen.“
„Na, na, Frau Schulz“, lachte Herr Hansen verlegen. „Wir wollen doch keine Gerüchte in die Welt setzten. Der Auszug der jungen Mieterin kam etwas plötzlich, doch kann man dies sicherlich nicht mysteriös nennen. Es gibt bestimmt eine gute und harmlose Erklärung für ihren spontanen Auszug.“
„Die Vormieterin ist verschwunden?“, hakte Valerio nach.
„Ach was“, winkte Hansen ab und versuchte sich so locker wie möglich zu geben. „Vermutlich ist sie nur heimlich mit ihrem Freund durchgebrannt. So was kommt in den besten Familien vor.“
„Was reden Sie denn da, Herr Hansen“, echauffierte sich Margret. „Ramona war nicht so eine. Ich bin mir sicher, dass ihr etwas zugestoßen ist. Das kann ich förmlich spüren.“
„Nun, wollen wir die neuen Mieter bitte nicht mit Spukgeschichten vergraulen.“
„Ich will hier niemanden vergraulen. Im Gegenteil. Ich möchte, dass sie bleiben und sich hier wohl fühlen.“
„Also, wenn Ihnen wirklich so viel daran liegt, dann bin ich mir sicher, dass wir uns gut verstehen werden“, sagte Valerio und reichte ihr erneut die Hand, als wollte er den Vertrag damit besiegeln.
„Sehr gern“, entgegnete Margret und schlug ein.
„Na, dann wären wir uns ja einig. Wenn Sie dann beide hier unterschreiben würden“, drängte sich Hansen ins Gespräch und hielt ihnen den Vertrag entgegen. Offenbar hatte er es eilig. „Ich werde dafür sorgen, dass Ihnen eine Kopie zugeht. Wenn dann keine Fragen mehr bestehen, verabschiede ich mich jetzt. Habe noch ein Termin. Übrigens können Sie sich auch jederzeit an Herrn Schwuttke wenden. Das ist der Hausmeister. Der geistert hier immer herum. Ist überall und nirgendwo.“
Hansen packte seine Unterlagen zusammen und verschwand. Margret kam nicht umhin, ihn nachdenklich hinterher zu blicken. Seine Bemerkung bezüglich Hein Schwuttke störte sie. Sie schalt sich eine Närrin, dass sie es nie selbst in Erwägung gezogen hatte, dass der Mysteriöse eventuell der Hausmeister sein konnte. Wer sonst hatte die Fähigkeit, unbemerkt aufzutauchen und wieder zu verschwinden? Doch wie sollte sie ihren Verdacht beweisen? Ramona war nicht mehr da und zu einem weiteren Termin mit dem Mysteriösen würde es nicht mehr kommen.
Wieso war es für sie immer noch so wichtig, seine Identität zu entlarven? Es hatte doch keine Relevanz mehr. Außer, er hätte etwas mit dem Verschwinden der jungen Studentin zu tun.
Margret rannte ein eiskalter Schauer den Rücken herunter, als sie daran dachte, dass der Hausmeister dafür verantwortlich sein konnte.
„Ist Ihnen nicht gut?“, erkundigte sich Valerio besorgt. „Sie sind plötzlich so blass.“
„Ich würde Ihnen ja gern ein Glas Wasser anbieten, doch wir haben keine Gläser. Ja noch nicht einmal eine Spüle“, bemerkte Katja entschuldigend.
„Nein, nein. Ist schon gut. – Ich hatte nur gerade an was gedacht … ach ist schon gut“, wiegelte Margret ab. „Was halten Sie davon, wenn wir zu mir herüber gehen und unsere neue Nachbarschaft mit einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen feiern.“
„Das Angebot nehmen wir gern an“, antwortete Valerio mit einem Lächeln.
Man ging herüber und Margret bot ihren Gästen einen Platz auf ihrer Couch an. Sie setzten sich, während die Gastgeberin in die Küche verschwand, um den Kaffee aufzubrühen und den Kuchen aus dem Schrank zu holen. Margret hatte immer Gebäck und Kuchen im Hause. Man wusste schließlich nie, wer auf einen kurzen Plausch vorbeischaute.
Ein paar Minuten später kehrte sie mit einem Tablett wieder und deckte den Tisch.
„Kann ich Ihnen helfen?“, erkundigte sich Katja höflich. Ihr war es offensichtlich peinlich, dass die ältere Dame sie bediente.
„Nein, lass mal gut sein, Kindchen. Du kannst mich übrigens Margret nennen. Das gilt selbstverständlich auch für dich“, bot sie beiden das Du an.
„Gern, danke, Margret. Wohnst du alleine hier?“
Valerio sah Katja vorwurfsvoll an. Wenn sie ihren Blick nur ein wenig im Raum schweifen ließ, sprachen die Indizien für sich selbst.
„Ich bin seit fünf Jahren Witwe. Herbert verstarb leider, kurz bevor er in Rente gehen konnte. Ironie des Schicksals.“ Margret deutete auf einige Bilder an der Wand.
„Das ist ihr Mann?“
Es entging Margret nicht, dass sich Valerio auf die Lippen biss, während er zu seiner Freundin herüberschielte. Es war ganz deutlich zu erkennen, dass er der dominante Teil der Partnerschaft war. Etwas was sie sofort anzog und für den jungen Mann Sympathie empfinden ließ. Er schien genau zu wissen, was er wollte. Ganz anderes als damals ihr Herbert.
„Ja, das ist mein Mann“, antwortete sie schließlich auf die Frage. „Ich sehe mal nach dem Kaffee.“
Erst als Margret verschwand, wagte es Valerio ungeniert zu kichern. „Katja, was sollte denn die Frage?“
Katja zog einen Schmollmund. „Ich wollte doch nur ein Gespräch anfangen.“
„Naja, das ist dir ja gelungen. Doch sei mal ehrlich: Wer sollte es denn sonst auf dem Hochzeitsfoto neben der Braut sein, wenn nicht der Ehemann?“
„Mir ist nichts Besseres auf die Schnelle eingefallen“, verteidigte sich Katja schulterzuckend und biss verlegen auf ihren Fingernagel herum, was ihr nur eine Rüge und einen Klaps auf die Finger von Valerio einbrachte. Augenblicklich ließ sie die Hand sinken und schaute schuldbewusst drein.
„Na, was ziehst du für ein langes Gesicht?“, erkundigte sich Margret bei ihr, als sie mit der Kaffeekanne und der Kuchenplatte zurückkehrte. „Du siehst aus wie meine kleine Tochter, nachdem sie von ihrem Vater ausgeschimpft wurde.“
Augenblicklich errötete Katja, während Valerio amüsiert grinste. Margret wusste sofort, dass sie den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Fast wünschte sie sich, dass Annegret hier wäre. Die hätte mit Sicherheit ihren Spaß an diesem seltsamen Pärchen gehabt.
„Mit der Wohnung habt ihr aber großes Glück gehabt. Hier in der Gegend wird selten was frei und vor allem für den Preis.“
„Das stimmt. Bisher konnten wir uns keine Eigene leisten. Angenehm ist, dass sie in der Nähe der Uni liegt.“
„So, dann seid ihr beiden also auch Studenten?“
„Auch? Wieso, studieren Sie ebenfalls an der Uni?“, rutsche es Katja raus.
Margret lachte auf. „Nein, Herzchen, nicht ich studiere, sondern Ramona war Studentin. Sie wollte Juristin werden. Was studiert ihr?“
„Medizin. Pathologie, um genau zu sein, mit Nebenfach Kriminologie“, antwortete Valerio und sah Margret dabei in die Augen.
„Und ich studiere Hispanistik“, warf Katja ein.
„Kriminologie? – Das ist wirklich ein interessanter Zufall!“, sagte Margret.
Valerio grinste sie auffordernd an.
„Du behauptetest, dass unsere Vormieterin unter mysteriösen Umständen verschwunden sei. Was meinst du genau damit?“
Margret schenkte ihnen den Kaffee ein und lud jedem ein Stück Kuchen auf die Teller. Sie mochte Valerios direkte Art. So ersparte er ihr die Peinlichkeit, das Thema selbst in diese Richtung zu lenken.
„Ramona verschwand sprichwörtlich von einem Moment auf den anderen. Ich hatte am Vormittag noch mit ihr gesprochen. Sie war wie immer. Nichts deutete daraufhin, dass sie mit ihrem angeblichen Geliebten durchbrennen wollte. So viel ich weiß, hatte Ramona noch nicht einmal einen festen Partner. Sie war eine gute und fleißige Studentin. Sie war jemand, der ihr Leben fest im Griff hatte und ein gestecktes Ziel verfolgte. Ein spontaner Auszug passt da nicht ins Bild.“
Margret nippte an der Tasse und nahm eine gabelvoll von ihrem Kuchen.
„Und dir ist wirklich nichts Ungewöhnliches an ihrem Verhalten an jenem Morgen aufgefallen? Wirkte sie nervös oder irgendwie beängstigt?“
„Ach wo. Ramona war wie immer. Vollkommen gelöst und liebenswert. Kein Mensch hätte ihre Leidenschaft erahnt, wenn man es nicht wusste.“
„Welche Leidenschaft?“
„Ähm … Noch Kaffee? … Sie war einfach ein lebenslustiger Mensch.“
„Lebenslustig hat nichts mit irgendwelchen Leidenschaften zu tun. Margret, bitte sei offen. Dir ist doch auch drangelegen, das Rätsel zu lösen, sonst hättest du uns doch nicht eingeladen.“
Margret atmete aus und stellte die Kaffeetasse ab. Valerio hatte Recht. Es brachte nichts, jetzt zu kneifen. Sie erkannte ihre Chance, einen Verbündeten zu finden. Jemand, der ihren Verdacht nicht als Phantasterei abtat. In der Vergangenheit war sie bereits bei Annegret und Louise auf taube Ohren gestoßen. Und hatte auf Annegrets Rat gehört, weder der Polizei von ihrem Mutmaßungen und Wissen bezüglich Romanas Dominatätigkeiten zu erzählen noch Romanas Eltern damit zu belasten. Wenn jemand Verständnis hatte, dann vermutlich Valerio. Sein Interesse sprach zumindest dafür.
„Hin und wieder habe ich Herrenbesuch bei Ramona gehört.“
„Herrenbesuch im Sinne von … Prostitution?“ Valerio hielt sich wirklich nicht zurück.
„Nein, so meinte ich das nicht. Das war ich so mithören konnte, deutete in eine andere Richtung. – Ramona war eine Domina.“
Das Klappern der Tasse unterbrach den kurzen Moment der Stille, als Margret zu Reden aufhörte. Katja hatte versehentlich den Unterteller angestoßen. Entschuldigend blickte sie in die Runde. Doch keiner ging darauf ein.
„Was hat dich zur Annahme geführt, dass Ramona eine Domina war? Hatte sie es dir gesagt?“
Margret schüttelte den Kopf. Ihr war nicht wohl bei diesem Geständnis. Valerios dunkelbraune Augen zeigten echtes Interesse an ihrer Variante der Geschehnisse. Den Blick, den er ihr zuwarf, gab ihr die Zuversicht, ihr Geheimnis mit ihm zu teilen. Margret fasste Vertrauen zu dem jungen Mann und gewann an Überzeugung, dass er ihr helfen konnte, das mutmaßliche Verbrechen aufzudecken.
„Ich habe häufiger zuhören können, wenn sie Kundenbesuch hatte.“
„Die Wände sind doch sicherlich nicht so hellhörig, dass du alles mitbekommen hast. Raum für Irrtum besteht da immer.“
Margret hielt seinem prüfenden Blick nicht stand. Schuldbewusst schaute sie zu Boden und gab dann kleinlaut zu: „Ich habe gelauscht. – Vor einigen Monaten renovierte mir mein Schwiegersohn das Wohnzimmer und machte mich auf den alten Belüftungsschacht aufmerksam, der unter vier Lagen Tapeten verborgen und vergessen lag. Er tapezierte ihn nicht mehr über und so konnte ich, wenn ich den Schacht öffnete, alles genau mithören, was sich drüben abspielte.“
Margret wurde rot. Obwohl Valerio vom Alter her ihr Enkel sein konnte, schämte sie sich tatsächlich für ihre Tat. Im Augenblick fühlte es sich für sie an, als wäre das Altersverhältnis umgekehrt. Dass er der erfahrene ältere Herr war und sie ein kleines dummes Mädchen. Trotz der Peinlichkeit, die sie soeben empfand, mischte sich in dieses Gefühl auch ein Hauch von jugendlicher Rebellion. Etwas, dass sie seit Jahrzehnten nicht mehr gefühlt hatte.
Für einen kurzen Moment schaute sie auf und ihre Blicke trafen sich. Margret fühlte sich wie elektrisiert. Senkte sofort wieder die Lider. Ihr komplettes Innenleben befand sich in Aufruhr. Was sie gerade durchströmte, war pure Lebensenergie. Sie vergaß alles um sich herum und lebte nur für diesen Moment. Hätte er sie nun ausgeschimpft und über sein Knie beordert, hätte sie sich ohne einen zweiten Gedanken zu verschwenden, darauf eingelassen. Valerio strahlte eine Dominanz aus, die sie immer vermisst hatte.
„Soll, dass etwas bedeuten, dass du ihre Privatsphäre verletzt und einen Lauschangriff gestartet hast?“, kam es vorwurfsvoll.
Unbewusst rutschte Margret auf ihrem Sessel hin und her. Sie sah nicht, wie Valerio sie dabei genau beobachtete und anhand ihrer Körpersprache erkannte, was sie soeben durchlebte. Margret war zu unerfahren, um zu wissen, dass sie ihm signalisierte, zu einem Spanking bereit zu sein. Wusste noch nicht einmal, dass man so etwas signalisieren konnte.
„Es tut mir leid!“
„Das ist vorerst nebensächlich. Damit werden wir beide uns zu einem späteren Zeitpunkt beschäftigen. Wichtiger ist im Augenblick, was du gehört hast.“
Margret schluckte. Der junge Mann brachte sie mit seiner Art vollkommen durcheinander.
„Zwei Tage vor ihrem Verschwinden hörten wir, dass sie einen Kunden bei sich hatte. Der Mysteriöse, wie ich ihn nannte. Und den hat sie ordentlich ran genommen. Hat ihn ordentlich versohlt. Doch sie haben sich im Guten getrennt. Regelrecht freundschaftlich.“
„Wer ist wir? Wer ist der Mysteriöse und woher weißt du, dass sie sich freundschaftlich trennten?“
„Ich möchte nicht sagen, wer wir sind“, kam es kleinlaut und Margret ahnte, dass er ihren Einwand nicht gelten lassen würde.
„Das tut nichts zur Sache, ob du die Identität deiner Freundinnen preisgeben willst oder nicht. Hier geht es um ein eventuelles Verbrechen. Also raus mit der Sprache, wer sind sie?“
„Woher weißt du, dass es sich um Freundinnen von mir handelt?“ Verwundert sah sie ihn an und bei seinem Blick durchzuckte es sie erneute.
„Wen sonst würdest du in diese Wohnung lassen und dein Geheimnis bezüglich des Lüftungsschachtes teilen, wenn nicht mit deinen Freundinnen? Das ist ein natürliches Verhalten. Du wolltest Zeugen. Zeugen, denen du vertrauen kannst!“
„Du hast Recht. Es waren meine intimsten Freundinnen Annegret und Louise. Gemeinsam hörten wir zu, wie sie eine Domina-Sklaven-Session mit ihm abhielt. Ich nannte ihn den Mysteriösen, da es mir nie gelang, ihn zu erwischen. Die anderen Herren habe ich im Laufe der Zeit enttarnen können. Doch ihn nicht. Allerdings habe ich mittlerweile einen Verdacht, wer es sein könnte.“
„Wer sollte es denn deiner Meinung nach sein?“
„Hein Schwuttke!“
„Der Hausmeister?“
Margret nickte. „Es macht durchaus Sinn. Ich sah ihn weder ins Haus oder in die Wohnung gehen oder nach der Session verschwinden. Schwuttke wäre mir nie aufgefallen oder in den Sinn gekommen, da er sowieso immer hier ist. Naja, zumindest in der Nähe. Er ist, wie Hansen vorhin sagte, überall und nirgendwo. Er geistert herum. Niemand nimmt ihn wirklich wahr. Somit wäre er der geeignete Kandidat. Nur weiß ich leider nicht, was ich mit der Information anfangen soll.“
„Das lass mal meine Sorge sein, Margret. Um Schwuttke kümmere ich mich. – Doch zunächst, junge Dame, kümmern wir uns um etwas ganz anderes.“
Valerios Stimme wechselte von selbstbewusst zu streng, so dass Margret regelrecht schwindlig wurde. Die Gefühle, die er in ihr auslöste, hatte sie seit Jahren nicht mehr erlebt. Es war ihr noch nicht einmal peinlich, dass sie feucht wurde. Die Intensität der Situation tat ihr einfach gut. Sie fühlte sich so lebendig wie seit langem nicht mehr, und dennoch so hilflos und ausgeliefert. Schwach, doch gleichsam stark und aufgehoben. Valerio schaffte es, dass sie sich wieder jung fühlte.
„Hmmmh?“, machte sie nur kläglich. Zu mehr war sie nicht im Stande.
„Als Allererstes werde ich dafür sorgen, dass der Belüftungsschacht seine Funktion als Abhöranlage einbüßt. Ich will dich nicht dabei erwischen, wie du uns belauscht.“ Valerio machte eine Pause und sah sie eingehend an. Erst als sie sich traute, ihren Blick zu heben und ihn anzusehen, setzte er zum finalen Satz an: „Du bist nämlich noch nicht zu alt dafür, von mir übers Knie gelegt zu werden.“
Margret schaute ihn mit einem leicht seligen Blick an und hoffte, dass er nicht erahnte, was sich soeben in ihrem Inneren abspielte. Die Worte, gepaart mit seinem Gebaren und dem strengen Blick aus seinen dunklen Augen, hatten sie in jene Aufruhr versetzt, die sie längst verloren geglaubt hatte. Ihre gesamten Empfindungen schienen sich plötzlich auf ihren Unterleib zu konzentrieren. Mit einem Male war es der zentrale Punkt ihrer Emotionen und die sexuelle Erregung weitete sich explosionsartig von dort aus.
Ein warmes Gefühl breitete sich in ihr aus. Sie befand sich am Rande eines Orgasmus. Etwas, das Herbert selten durch den Beischlaf bei ihr erreicht hatte, schaffte ihr junger Gegenüber lediglich durch das geschickte Einsetzen von Schlüsselreizen. Allein sein Auftreten und seine Stimme reichten aus, um sie so empfinden zu lassen. Sie befand sich völlig in seinen Bann.
Der erste gemeinsame Roman von Kristel Kane und Alex z. Falkenberg
Valerio und Katja sind ein bekennendes Spanker-Pärchen und überglücklich, als sie in ihre erste gemeinsame Wohnung ziehen könnne, in der sie endlich hemmungslos ihrer Leidenschaft ausleben dürfen. Doch bald schleichen sich die ersten Zweifel ein, ob die Wohnung wirklich ein Glücksgriff war. Erst erzählt ihnen ihre neue Nachbarin vom plötzlichen und spurlosen Verschwinden ihrer Vormieterin Romana, dann häufen sich die unheimlichen Vorkommnisse, die Katja fürchten lassen, dass Romana noch immer in der Wohnung weilt... auf die eine oder andere Art. Auch Valerio, der Katjas Befürchtungen anfangs als Spinnerei abtut, muss schließlich erkennen, dass für sie beide eine reale Gefahr besteht, die er sträflich unterschätzt hat ...
Dieser Roman beweist, dass es sehr wohl gute genreübergreifende Spankinggeschichten geben kann.