top of page

Die Spanking-Falle, Kristel Kane

​

Jessica ist eine selbstbewusste Frau, die Spanking liebt

und lebt. Doch ihr Beruf zwingt sie, bei der Wahl der

Spankingpartner äußerste Vorsicht walten zu lassen.

Nur ein einziges Mal vernachlässigt sie ihre Vorsicht

und tappt ahnungslos in eine Spanking-Falle …

​

​

 

1.

Richard riss die Tür auf und stürzte in den Raum. Das unheilvolle Geräusch, das er auf dem Flur vernommen hatte, bestätigte seine Befürchtungen. Die Szene war bizarr. Stocksteif hielt die Frau die Waffe in der Hand. In der Faust des ausgestreckten Armes wirkte der Revolver wie Relikt aus einem Stummfilm. Zu ihren Füssen lag der leblos wirkende Körper ihres Gatten. Richard behielt die Nerven. Behutsam näherte er sich der Schützin. Vorsichtig nahm ihr die Pistole ab. Auf dieser Entfernung traf selbst ein Ungeübter mühelos ins Ziel. Die abgefeuerte Kugel war ins Herz des Opfers gedrungen. Richard verzichtete darauf, den Mann auf Lebenszeichen zu untersuchen. Der rote Fleck auf dem Hemd sprach für sich. Zweifelsfrei war der Mann tot. Richard wusste weder, woher die Pistole stammte, noch weshalb sie ihn erschossen hatte. Dies waren im Augenblick Nebensächlichkeiten.

Die Frau war lethargisch, unfähig sich zu rühren. Gebannt starrte sie auf den Leichnam, als musste sie sich erst davon überzeugen, dass er tatsächlich nicht mehr aufstand. Unbewaffnet ging keine weitere Gefahr mehr von ihr aus.

„Mel, was hast du getan?“, keuchte Richard.

„Er hat es verdient“, flüsterte sie leise. Der Blick löste sich zögerlich vom Opfer. „Er hat es verdient!“, schrie sie mit einem Male hysterisch, bevor ihre Stimme einbrach und sie flüsternd wiederholte: „Er hat es verdient!“

„Wie kannst du so etwas sagen? Er war dein Mann und mein bester Freund“, stellte er ungläubig fest.

„Du weißt überhaupt nichts! Christian war ein Mistkerl. Er hat den Tod verdient!“

Richard zeigte sich fassungslos. Erinnerte sie daran, dass er sie beide seit Jahren kannte und sie noch niemals abfällig über ihren geliebten Mann geredet hatte. Sie hatten immer wie das perfekte Ehepaar gewirkt. Allerdings ergab ihre Tat und das gegenwärtige Verhalten ein anderes Bild.

„Wie kannst du so was sagen?“, rief er hitzig und schlug ihr ins Gesicht.

Das schallende Geräusch der Ohrfeige ertönte. Mels Kopf wurde nicht nur auf die Seite geschleudert, sondern der Körper von der Wucht des Schlages herumgeworfen.

„Stopp! Stopp! Jessica, das ist zu übertrieben. Weniger ist mehr“, hörte man plötzlich aus dem Dunkeln des Raumes. „Bis hier hin war es ganz gut. Jessica, du musst dich zurücknehmen. Richard versetzt Mel nur eine normale Ohrfeige.“

Beide Schauspieler drehten sich in Richtung des Zuschauerraumes. Der Sprecher war nicht zu erkennen. Die Bühnenbeleuchtung blendete.

„Sollen wir die komplette Szene wiederholen?“, erkundigte sich der am Boden liegende Leichnam.

„Nein, Roy. Du kannst ruhig liegen bleiben. Wir machen einfach an der Stelle weiter, an der wir unterbrochen haben. Richard schlägt Jessica ins Gesicht.“

Der Sprecher, offensichtlich der Regisseur, klatschte laut in die Hände. Ein Zeichen für alle Beteiligten, auf ihre Positionen zu gehen und sich bereitzumachen.

Richard und Jessica stellten sich wieder auf ihre Positionen. Der junge Schauspieler wiederholte seinen letzten Satz und holte aus.

Wieder verpatzte Jessica ihren Einsatz.

Frustriert brach der Regisseur ein zweites Mal ab. Sofort entschuldigte sich die unerfahrene Schauspielerin für ihren Fehler. Man sah ihr die Verlegenheit an. Leise stotterte sie eine Entschuldigung.

Richard fühlte sich verpflichtet, seiner Kollegin beizustehen, und kam der Schelte des Regisseurs zuvor.  „Matt, lass uns eine kleine Pause machen. Jessica und ich gehen die Szene in Ruhe alleine durchgehen. In zehn Minuten sind wir soweit!“

Jessica blickte ihn dankbar an, während aus der Dunkelheit des Raumes ein geknurrtes: „Aber, keine Minute länger!“, ertönte.

Erneut hallte das Klatschen durch den Saal. Doch diesmal diente es als Pausenzeichen. Matt ließ die Akteure auf der Bühne in Ruhe. Es war unnötig, sich einzumischen. Auf Richard war Verlass. Dieser besaß eine besondere Ader, jemanden etwas beizubringen. Zweifelsohne würde es ihm gelingen, die Performance der jungen Kollegin in dieser kurzen Zeitspanne zu verbessern. Momentan bestand für Matt keine Veranlassung, Jessica zu ersetzten, da sie die Rolle der Mel überzeugend verkörperte. Bisher war nichts an ihrer Leistung auszusetzen. Daher war es umso ärgerlicher, dass sie Schwierigkeiten mit der kleinen Stunt-Einlage hatte. Der einzige Körpereinsatz, den diese Rolle von ihr verlangte, war die Ohrfeige. Normalerweise sollte sie derartige Dinge bereits beherrschen. So etwas zählte zum Grundrüstzeug, das einem auf der Schauspielschule beigebracht wurde. Matt war sehr daran gelegen, dass diese unerfahrene Schauspielerin endlich ihr Handwerk lernte, schließlich stand die Premiere kurz bevor. Er vertraute auf Richards Fähigkeiten.

Roy sah es ähnlich und erhob sich vom Boden. Er hatte kein Interesse daran, untätig als Leichnam herumzuliegen. Lieber wollte er die Unterbrechung zu einer willkommenen Kaffeepause nutzen. Leise entfernte er sich.

Richard und Jessica blieben alleine im Rampenlicht zurück. Die Bühne gehörte ihnen.

„Jessica, lass es langsam angehen. Wir versuchen es erst einmal in etwas schnelleren Zeitlupentempo, damit du ein Gefühl dafür bekommst!“ Richards sachliche Stimme lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn.

Ein Nicken bestätigte, dass sie ihn verstand und bereit war, ihre Lektion zu lernen. Unterwürfig blickte sie ihn an.

„Gut! Ich versetzte dir eine relativ rasche Ohrfeige, die allerdings langsam genug kommt, damit du reagieren kannst. Das werden wir mehrfach wiederholen, und ich steigere allmählich das Tempo. Du kannst entweder eine leichte Berührung abwarten, oder du drehst den Kopf kurz zuvor zur Seite.“

Die Kollegin nickte nur und sah ihn aus großen Augen an. Richard holte aus und schlug ihr ins Gesicht. Ein klatschendes Geräusch entstand. Diesmal stammte es allerdings nicht von einem Bühnenarbeiter, die für die Begleitgeräusche sorgte.

„War das zu schnell für dich?“, irritiert blickte er die junge Frau an.

„Nein, ist schon gut. Ich habe nur nicht aufgepasst“, äußerte sie verlegen und rieb sich leicht über die Wange.

„Okay, dann wiederholen wir es noch mal. Pass, aber jetzt besser auf“, mahnte er und holte erneut aus.

Diesmal war sie darauf vorbereitet. Im rechten Moment drehte sie den Kopf zur Seite.

„Das war gut“, lobte er. „Wir machen es gleich noch mal; diesmal allerdings etwas schneller!“

Richard erhöhte die Geschwindigkeit. Jessica reagierte hervorragend. Sie schien endlich ihren Rhythmus gefunden zu haben. Der Schlag wurde noch sechsmal wiederholt. Jessica enttäuschte nicht. Offensichtlich hatte es ihr nur an ein wenig Selbstvertrauen gemangelt.

Die Schonfrist war vorüber. Roy gesellte sich auf der Bühne zu ihnen und wartete auf Matts Anweisung.

„Wir steigen dort ein, wo Jessica Roy mit der Wahrheit konfrontiert und ihn erschießt. Richard kommt ins Zimmer gestürmt und stellt sie zur Rede. Jessica, ich erwarte, dass du Ohrfeige hinbekommst.“

Erneut klatschte er in die Hände. Jeder begab sich auf seinen Platz. Erst als die vorgegebenen Positionen eingenommen waren, ertönte ein lautes „Bitte“ aus dem Dunkeln des Zuschauerraums.

Jessica atmete noch einmal tief durch und versetzte sich in Mels Rolle.

Sie hatte ihrem Mann den Rücken zugekehrt und biss sich auf die Faust. Er fasste sie an der Schulter und drehte sie kraftvoll zu sich um.

„Was erwartest du von mir? Ich bin ein Mann und habe meine Bedürfnisse!“, schrie Christian sie an.

„Du hast mich betrogen und mein Geld unterschlagen. Hast du wirklich geglaubt, dass ich nicht dahinter komme, du Schwein?“, warf sie ihm verächtlich entgegen und versetzte ihm eine Ohrfeige.

Christian sah rot. „Ich lasse mich von keinem Weib schlagen. Ich werde dir schon zeigen, was du davon hast.“ Wutentbrannt legte er ihr die Hände um den Hals und drückte zu.

Geistesgegenwärtig griff Mel in ihre Jackentasche und zog den kleinen Revolver hervor. Es war unnötig zu zielen. Sie drückte ihn einfach gegen seinen Körper und drückte ab. Ein lauter Knall ertönte, und der Griff löste sich von ihrem Hals. Langsam sank der Mann vor ihr auf die Knie und starrte sie mit aufgerissenen Augen an. Mel stieß ihn mit dem Knie gegen die Brust, er kippte widerstandslos nach hinten. Auf dem Rücken blieb er liegen. Sie streckte den Arm aus und hielt die Waffe immer noch auf ihn gerichtet.

In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und Richard stürmte in den Raum. Er kam auf sie zu und nahm ihr die Pistole aus der Hand.

„Mel, was hast du getan?“, keuchte er.

„Er hat es verdient“, flüsterte Mel leise und löste zögerlich ihren Blick von Christian. „Er hat es verdient!“, schrie sie den Freund hysterisch an, bis die Stimme einbrach und sie flüsternd wiederholte: „Er hat es verdient!“

„Wie kannst du so etwas sagen? Er war dein Mann und mein bester Freund.“

„Du weißt überhaupt nichts! Christian war ein Mistkerl. Der hat den Tod verdient!“

„Wie kannst du so was sagen?“, rief er hitzig und schlug ihr ins Gesicht.

Jessica drehte im rechten Augenblick den Kopf zur Seite. Die Ohrfeige saß, und die Illusion war perfekt.

„Er hat mich betrogen und mein Geld unterschlagen“, antwortete sie, während sie sich über die Wange rieb.

„Das ist doch noch lange kein Grund, ihn zu töten!“

„Doch“, schrie sie wie von Sinnen. „Er hat meine Rache verdient!“

„Vorhang“, rief Matt aus dem Zuschauerraum. „Danke, das war gut!“

Die Schauspieler lösten sich aus ihren Positionen. Jessica atmete erleichtert auf. Sie war froh, dass sie die Szene nicht wieder versaut hatte. Dies war ihre erste größere Rolle, und sie wollte sich ihre Chance nicht wegen einer derartigen Ungeschicklichkeit verderben. Wenn es hätte sein müssen, war sie gern bereit, sich allabendlich von Richard eine echte Ohrfeige verabreichen zu lassen. Zumindest so lange, bis sie es endlich lernte, den Kopf zur Seite zu drehen. Die Rolle war ihr einfach zu wichtig, um zimperlich zu sein. Doch dank ihres Kollegen war ihr diese Prozedur erspart geblieben.

„Danke für deine Hilfe, Richard“, raunte sie leise.

Richard grinste sie an: „Wofür bedankst du dich?“, zwinkerte er ihr zu. „Dafür, dass ich es dir eingeprügelt habe?“ Amüsiert lachte er auf.

Jessica errötete. Dieser unschuldige Seitenhieb lenkte ihre Gedanken auf eine andere Ebene. Bereits eine zarte Andeutung reichte aus, um sie in Stimmung zu bringen. Sie stand auf Spanking und alles, was nur im Entferntesten damit zu tun hatte, versetzte sie in einen sinnlichen Lustzustand. Schon allein die Erwähnung einer körperlichen Züchtigung spornte ihre Tragträumerei an. In Sekundenbruchteilen gelang es ihr, eine Fantasie zu spinnen, die es ihr ermöglichte, alle Hemmungen fallen zu lassen und sich ganz ihrer Neigung hingeben zu können. Hier war sie weder Logik noch Moral unterworfen. In ihrem Fantasiereich galten nur die Regeln der Lust. Richards letzter Satz hatte ein wahres Feuerwerk an Emotionen in ihr ausgelöst. Sie setzte das Gehörte gedanklich um. Stellte sich vor, dass er ihr die Lektion tatsächlich eingeprügelte. Die Erregung, die diese Vorstellung in ihr auslöste, konsumierte sie förmlich.

Beobachtete man sie, ahnte man nicht, welche frivolen Gedanken durch ihren hübschen Kopf geisterten. Sie stand einfach nur da und genoss die Bilder, die aus ihrem tiefsten Inneren aufstiegen. Es wirkte wie ein geschickt zusammengeschnittener Film, der zwischen den einzelnen Kamerastandpunkten hin und her wechselte. So gelang es ihr, sich dabei zu beobachten, wie er sie genervt nach der vierten verpatzten Ohrfeige griff und zum Sofa führte. Er setzte sich und zog sie dabei übers Knie. Ein seliges Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als sie ihm ihr Hinterteil präsentierte. Es gehörte einfach zum Kern ihrer Fantasie, dass ihr jeweiliger männlicher Erzieher kein Pardon kannte und ihren lautstarken Protest ignorierte. Sie fühlte sich einfach wohler, wenn sie mit erfolgloser Gegenwehr aufwarten konnte. Dies heizte sie zusätzlich an. Ohne Umschweife versohlte ihr der Kollege mit gleichmäßigen und festen Hieben die bekleidete Kehrseite.

Für Jessica hatte Spanking nicht nur eine erotische Bedeutung. Sicherlich benutze sie diese besondere Form der Sexualität auch als heißes Vorspiel, um sich in Stimmung für den bevorstehenden Akt zu bringen. Doch ging Spanking weit über den sinnlichen Aspekt hinaus. Jessica verstand es als Variante, mit den Schwierigkeiten des Lebens besser umzugehen. Sie kannte eine Menge Leute, die Spanking ausschließlich als Strafe benutzen. Zwar konnte sie dies verstehen und nachvollziehen, doch war es ihr zu wenig. Sie brauchte wesentlich mehr als das. Sie brauchte die körperliche Züchtigung, um sich zu erden und mit ihren Gefühlen in Einklang zu kommen. Ihr Beruf verlangte es, dass sie sich in verschiedene Charaktere einfühlte. Spanking gab ihr die Möglichkeit, wieder zu sich selbst zu finden. Es gehörte ganz selbstverständlich zum Leben dazu. Es bereicherte ihr Leben. Ließ sie sich den Hintern versohlen, geschah es aus dem Wissen heraus, dass das Brennen, Kribbeln und Glühen des Gesäßes nicht nur einen körperlichen Reiz auslöste, sondern ihre Seele berührte und sie mit einer unbändigen Lebendigkeit erfüllte. Jessica fühlte sich erst wirklich geborgen und mit dem Universum verbunden, wenn ihr jemand ordentlich den Po verhaute.

„Was ist mit dir?“

Brutal riss diese Frage sie aus ihren Gedanken. Verlegen blickte sie an Richard vorbei. Tat alles, um Augenkontakt zu vermeiden. Sie schämte sich. Hatte Furcht davor, dass er möglicherweise ihre Gedanken erraten und ihr frivoles Geheimnis lüften würde.

„Nichts!“, wiegelte sie ab und versuchte, das Thema allgemein zu halten. „Ich bin nur glücklich, dass Matt mit unserer Vorstellung zufrieden ist.“

„Ja, es ist immer besser, wenn man den Direktor nicht verärgert oder enttäuscht, sonst …“

„… hätte der mich bestimmt gefeuert, wenn du mir nicht geholfen hättest“, fiel sie ihm ins Wort.

„Das wollte ich damit gar nicht sagen.“ Richard lachte auf und winkte ab. „Gefeuert hätte Matt dich bestimmt nicht. Der hätte dich vermutlich in sein Büro bestellt und …“

„Mich zur Schnecke gemacht“, seufzte sie deprimiert.

„Wo denkst du hin? So was macht Matt nicht. Dich süßen Fratz hätte er vermutlich übers Knie gelegt und dir aus Motivationsgründen den Hintern versohlt!“

Schwindel erfasste sie. Sie fühlte sich berauscht. Derartige Behauptungen waren der Zündstoff, der ihren Motor zum Laufen brachte. Wieso quälte Richard sie so? Bereits zum zweiten Mal brachten seine provokanten Bemerkungen sie an den Rand eines Orgasmus. War es möglich, dass er sie durchschaute und deshalb mit ihr spielte? Jessica wollte nicht daran glauben, dass seine Äußerungen nur zufällig waren. Ohne triftigen Grund gab man solche Kommentare nicht ab. Sie erschienen ihr zu gezielt. Insbesondere, da er von Hieben zur Motivation sprach. Jessica liebte und lebte Spanking, allerdings selten zur Strafe, sondern ausschließlich zur Bereicherung ihres Lebens oder als seelischen Ausgleich zu ihrem stressigen Beruf. Jessica beschlich das Gefühl, dass er genau wusste, wie sie tickte, und auf diese Weise versuchte, sie aus der Reserve zu locken. Sie war davon überzeugt, dass er all diese Andeutungen machte, damit sie sich zu erkennen gab, um ihm den Einstieg zu erleichtern. Ohne Zweifel war er ebenfalls ein Genießer dieser besonderen Form der zwischenmenschlichen Interaktion. Anderenfalls war es nicht erklärbar, dass er ständig das Gespräch auf die körperliche Züchtigung lenkte.

Jessica rang mit sich. Das Verlangen, die Wahrheit zu erfahren, war stark, doch die Furcht vor einer bitteren Enttäuschung und einer damit zusammenhängenden Erniedrigung war größer. Letztendlich schwieg sie und ging nicht weiter darauf ein.

Ob Richard wirklich einer „von ihnen“ war, wollte Jessica unbedingt herausfinden. Allerdings wollte sie sich zuvor Rückendeckung von anderer Stelle holen.

Sie wollte ihn nicht kommentarlos stehen lassen und ging vorsichtig auf seine letzte Bemerkung ein.

„Möglicherweise solltest du dir an seinen Methoden ein Beispiel nehmen und mich bei der nächsten Probe übers Knie legen, wenn ich wieder etwas verpatzte.“

Mit kokettem Augenaufschlag drehte sie sich um und ließ ihn stehen. Gespielt verführerisch wackelte sie dabei mit den Hüften. Sie fühlte förmlich, wie sich sein Blick auf ihre Hinterbacken heftete. Jessica lächelte wissend, als sie sich von ihm entfernte. Sie glaubte, ihn durchschaut zu haben. Ein gewisser Stolz erfüllte sie.

 

 

 

2.

Jessica war froh, dass die Probe vorüber war. Dieser Tag hatte ihr einiges abverlangt. Nicht zuletzt, da ihre Fantasie heute wilde Kapriolen geschlagen hatte. Immer wieder war Richard unfreiwilliger Auslöser einer wahren Flut an Spanking-Szenarien geworden, in denen sie ihm die dominante Hauptrolle zuwies. Jessica bevorzugte männliche Erzieher und träumte sich immer wieder gern über die Knie eines berühmten Schauspielerkollegen. Sie beherrschte das mentale Multitasking. Schaute sie einen Film, konnte sie parallel dazu ihr eigenes Spanking-Kopfkino ablaufen lassen. Bisher war sie mit diesen Ersatzbefriedigungen gut zurecht gekommen. Doch heute hatte sie es zugegebenermaßen etwas durcheinander gebracht und abgelenkt. Es wurde deutlich, wie sehr sie sich nach einem echten Spanking sehnte. Das letzte reale Spielchen lag bereits viel zu lange zurück. Die Entzugserscheinungen waren überdeutlich. Sehnsüchtig erinnerte sie sich daran, wie sie an jenem Wochenende von mehreren Spielpartnern verwöhnt worden war. Dies war ein Luxus, den sie sich hin und wieder gönnen musste, da sie keinen festen Partner hatte.

Jessica war eifriges Mitglied in einem Spanking-Forum. Hier tauschte sie sich nicht nur mit Gleichgesinnten online aus, sondern kannte einige von ihnen sogar persönlich. Hin und wieder wurden Treffen veranstaltet. Selbstverständlich war es dabei jedem selbst überlassen, ob er ein Spielchen wagen wollte oder nicht. Erlaubt war, was gefiel und auf gegenseitigem Einverständnis basierte. Jessica erinnerte sich, wie nervös sie vor dem allerersten Treffen gewesen war. Doch schnell hatte sie erkannt, dass die Leute real genauso nett wie im Forum waren. Über die Jahre war das Spanking Forum für Jessica ein zweites Zuhause geworden. Hier war sie unter Gleichgesinnten und musste sich weder für ihre Neigung schämen, noch diese rechtfertigen. Man konnte alles ansprechen und sich Rat holen, wenn man diesen suchte. Alles in allem war es ein guter und sicherer Zufluchtsort. Insbesondere, da man selbst festlegte, was und wie viel man von sich preisgab. Das Forum bestand aus einer Stammgemeinschaft, allerdings meldeten sich hin und wieder neue Benutzer an, die sich entweder rasch und schnell einbrachten oder sich nur vorübergehend im Forum umsahen.

Freyday, wie sie mit Usernamen hieß, war bezüglich ihres privaten Kreises sehr wählerisch. Sie öffnete sich nicht gleich jedem gegenüber. Dennoch hatte sie es geschafft, einen stabilen Bekanntenkreis aufzubauen, mit denen sie sich nicht nur virtuell austauschte.

Zweimal im Jahr, wenn es die Finanzen zuließ, besuchte sie die privaten Treffen. Dabei behielt sie stets die Teilnehmerliste im Auge und meldete sich gewohnheitsmäßig immer auf den letzten Drücker an. Freyday wollte sicherstellen, dass nicht zu viele ihr Unbekannte unter den Teilnehmern waren. Sie brauchte die Sicherheit, die ihr die bekannten Gesichter boten. Es war ihr unangenehm, sich mit den „Neuen“ real anzufreunden. Für eine Schauspielerin war sie im Privatleben außergewöhnlich zurückhaltend und gehemmt. Waren zu viel Neue dabei, gelang es ihr nie, die innere Scheu zu überwinden und an gesellschaftlichen Spankingspielen teilzunehmen. Entgegen ihrer Fantasie war es unter realen Bedingungen für sie unmöglich, sich vor Publikum den Po versohlen zu lassen. Jessica hatte sich über diese kleine Marotte immer schon gewundert, zumal sie, als Theaterschauspielerin, eigentlich daran gewohnt war, Publikum zu haben. Doch auf der Bühne spielte sie nur eine Rolle. Über den Knien eines anderen zeigte sie hingegen ihren wahren Charakter. Sie offenbarte in solchen Momenten ihre Verwundbarkeit. Für sie war der Spanking-Akt zu intim, um ihn mit jedem zu teilen.

Jessica hatte Kaffee aufgebrüht. Wie immer verwendete sie ihre Lieblingstasse. Auf diese war sie ganz besonders stolz. Gewonnen hatte sie diese beim letzten Treffen. Man hatte ein Karten-Turnier veranstaltet und sie hatte gewonnen, indem sie verlor. Als Preis gab es diese Tasse, allerdings nur, wenn man bereit war, seine wohlverdiente Tracht Prügel entgegenzunehmen. Die Verlustpunkte waren addiert worden und in Hiebe umgerechnet worden. Sie hatte die meisten bekommen und erhielt als Trostpflaster anschließend eine Tasse mit Spanking-Motiv und der Aufschrift: „Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse übers Knie“.

Es hatte sie große Überwindung gekostet, sich öffentlich übers Knie legen zu lassen. Doch letztendlich entpuppte sich dieses Erlebnis als eines der wichtigsten in ihrer Entwicklung.

Jessica hatte mittlerweile ihr kleines Online-Ritual. Zunächst brühte sie einen Kaffee frisch auf und besuchte erst dann das Forum. Die Tasse stand dabei immer neben dem Bildschirm. So fühlte sie sich den anderen wesentlich näher.

Sie loggte sich ein.

Sofort erschien die Mitteilung, dass es sieben ungelesene Themen gab. Gelassen begutachtete sie die Liste und entschied dann, welchem Thema sie den Vorzug gab.

Es galt, zwei Neuzugänge willkommen zu heißen. Sie hatten sich nicht nur registrieren lassen, sondern ebenfalls eine kurze Selbstvorstellung veröffentlicht. So etwas war leider nicht die Regel. Freyday hatte sich bereits häufiger zum Thema der nicht eingehaltenen Netz-Etikette geäußert. Daher gehörte es für sie zum guten Ton, als allererstes die Neuen mit einem persönlichen Hallo willkommen zu heißen. So etwas gehörte sich schließlich. Außerdem war sie immer sehr neugierig darauf, wie viel derjenige von sich preisgab. Hierfür gab es keine Richtlinien. Es blieb jedem selbst überlassen, was er von sich erzählten wollte. Im Allgemeinen benutzte man einen Usernamen, der mehr oder weniger fantasievoll war und einen entsprechenden Avatar. Es kam vor, dass einige nicht nur ihren realen Namen benutzten, sondern ebenfalls ihr Konterfei als Avatar verwendeten.

Freyday war sich immer noch nicht sicher, ob sie dies als mutig bewundern oder es als leichtsinnige Arroganz bewerten sollte. Offensichtlich hatten diese Mitglieder nichts zu verstecken, wenn sie ihre wahre Identität so unüberlegt verrieten.

Jessica war diesbezüglich immer sehr vorsichtig. Schließlich musste sie Rücksicht auf ihre Karriere nehmen. Momentan befand sie sich dabei am Anfang. Sie hatte ihr erstes Arrangement an einem kleinen Theater erhalten. Umso wichtiger war es für sie, nicht durch ihre Unachtsamkeit in kleine Skandälchen verwickelt zu werden. Es musste ja nicht unbedingt jeder wissen, dass sie auf Spanking stand. Leider war man heutzutage immer noch schnell damit, jemanden als pervers abzustempeln, der auf andere Sexspiele stand. Diese Intoleranz konnte eine Person sowohl gesellschaftlichen wie auch beruflichen Schaden bereiten. Jessica wollte nicht in die Spanking-Falle tappen. Somit beherzigte sie ihren eigenen Rat und hielt den Kreis der Vertrauten gering. Private Nachrichten tauschte sie nur mit Leuten aus, die sie persönlich von den Treffen kannte und von denen sie wusste, dass sie das Geheimnis ihrer Identität wahrten.

Freyday sah das Forum als eine Oase vom harten Alltag an. Hier konnte sie sich entspannen und gleichzeitig anregen. Niemand warf ihr vor, eine perverse Ader zu haben, wenn sie darüber berichtete, wie sehr es sie befriedigte, den Po versohlt zu bekommen. Im Forum war sie keine Ausnahme, sondern die Regel. Brauchte sich nicht hinter Ausflüchten verstecken, sondern konnte offen zugeben, dass sie das schmerzende Gefühl einer schlagenden Hand auf ihrer Kehrseite erregte und sie dies mit jeder Faser ihres Seins genoss. Hier konnte und durfte sie intime Erfahrungen und Fantasien austauschen und mit den anderen gemeinsam träumen. Einen Ort gefunden zu haben, der sich hauptsächlich mit dem Akt der körperlichen Züchtigung befasste, war eine Bereicherung in ihrem Leben. Die Gewissheit, dass sie nicht alleine mit ihrer Neigung war, beruhigte ungemein. Hier wurde man nicht verurteilt oder ausgelacht – hier wurde man respektiert. Dabei war es vollkommen gleichgültig, ob man regelmäßig dem Genuss frönte oder keinerlei Erfahrungen hatte. Jeder wurde ernst genommen und durfte seine Meinung kundtun; so lange man sich an gewissen Regel hielt und niemanden beleidigte oder gar angriff.

Freyday nahm sich die Zeit, jeden der Neulinge individuell zu begrüßen. Ihr war das sehr wichtig. Es erinnerte sie immer wieder dran, wie nervenaufreibend sie ihre eignen Vorstellung empfunden hatte. Damals war es ihr erster mutiger Schritt, sich öffentlich zu ihrer Neigung zu bekennen und zu erleben, dass sie nicht abnormal oder gar unmoralisch war.

Somit war es für sie Ehrensache, auf Vorstellungen zu reagieren und anderen das Gefühl zu vermitteln, verstanden zu werden. Routiniert tippte sie ein paar aufmunternde Worte, die allerdings von Herzen kamen.

Sie nahm einen Schluck Kaffee und stellte die Tasse neben den Bildschirm ab. Es war ihr nicht mehr bewusst, dass sie diese immer so platzierte, dass die Spanking-Abbildung darauf sofort ins Auge sprang, wenn sie auf die Tasse schielte.

Die Eintragung eines Bekannten brachte sie zum Schmunzeln. Im Forum mimte er immer gern den strengen Erzieher, der nichts durchgehen ließ – doch wusste sie, dass er in der Realität ein sanftmütiger Chaot war, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte.

So war man hier eben – man konnte ein Alter Ego ausleben, wenn man wollte. Freyday selbst gab sich gern frech und provozierte mit ihren Kommentaren. Hielt sich allerdings dabei immer an die Regeln, niemanden zu verletzten oder gar anzugreifen. Sie war es sich schuldig, den Ton zu wahren. Sie war sicher, dass ihr Bekannter nicht beleidigt war, wenn er ihren ungezogenen Kommentar las. Vermutlich lief es wieder darauf hinaus, dass er ihr damit drohte, sie beim nächsten Treffen für ihre Frechheiten ordentlich zur Rechenschaft zu ziehen und ihren Hintern für das vorlaute Mundwerk büßen zu lassen.

Freyday seufzte. Wenn er nur wüsste, wie gern sie sich eine derartige Tracht abholen würde. Doch wollte sie die Illusion aufrechterhalten und sich mit ihm vorerst nur einen virtuellen Schlagabtausch liefern.

Heute vermisste sie die Befriedigung, die sie aus solchen Frotzeleien zog. Richards Kommentare waren ihr immer noch gegenwärtig und ließen ihre Fantasie nicht zur Ruhe kommen. Möglicherweise konnten die anderen Licht ins Dunkel bringen und ihr erklären, ob Richard tatsächlich „einer von ihnen“ war, wenn sie das Erlebnis schilderte. Freyday vertraute darauf, dass man ihren Thread ernst nahm und keine dummen Bemerkungen abgab.

Freyday hatte keine Schwierigkeiten damit, das Erlebte zusammenzufassen und präzise widerzugeben. Sie ließ dabei nicht aus, dass seine Bemerkungen ihr Kopfkino in Gang brachten und sie sich vorstellte, von ihm versohlt zu werden. Erklärte, dass er es nicht als Strafspanking bezeichnet hatte, sondern als eine lustvolle Motivationsmaßnahme. Ihren Bericht schloss sie mit der Fragestellung ab, ob sie aus seinem Verhalten darauf schließen konnte, dass es sich bei ihm um einen Spanker handelte.

Freyday atmete noch einmal tief durch, bevor sie den Thread abschickte. Sekunden später war er auf dem Bildschirm zu erkennen. Nun war er öffentlich. Jessica vertraute auf eine rasche Antwort auf ihren Hilferuf. Inständig hoffte sie darauf, dass sie simpel war und man ihr bestätigte, dass der erwähnte Kollege ebenfalls auf Spanking stand.

Reaktionen aufs Posting würden noch auf sich warten lassen. Am frühen Nachmittag war selten jemand im Forum, da die meisten arbeiteten. Diejenigen, die in Büros beschäftigt waren, wollten sich nicht unbedingt dabei erwischen lassen, wie sie sich auf einer Spankingseite herumtrieben. Vor den Abendstunden war nicht mit Antworten zu rechnen. So lange wollte sie nicht vor dem PC bleiben. Jessica hatte Hunger.

Widerwillig erhob sie sich von ihrem Stuhl, schlurfte in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Gähnende Leere. Milch und Käse – das war alles. Genervt warf sie die Tür zu. Die Suche wurde auf die Schränke ausgeweitet. Bis auf eine Dosensuppe blieb die Jagd erfolglos. Angewidert blickte sie auf das Etikett und schloss kopfschüttelnd die Tür. Es half nichts. Wollte sie essen, musste sie einkaufen.

Missmutig zogen sich ihre Augenbrauen zusammen. Lebensmittel einkaufen war etwas für Mütter, aber nicht für aufstrebende Schauspielerinnen. Wollte es der Star von morgen aber vermeiden, heute zu hungern, dann musste sie über ihren Schatten springen und Vorräte besorgen. Sie lebte alleine. Konnte also niemanden diese Aufgabe aufbürden. Sie fischte die Jacke vom Haken. Vergewisserte sich, dass der Schlüssel und das Portemonnaie in den Taschen waren, bevor sie die kleine Wohnung verließ. Beim Öffnen der Haustür schlugen ihr die kalten Regentropfen entgegen. Jessica stieß eine Verwünschung aus.

„Mistwetter“, knurrte sie und hüllte sich tiefer in ihre Jacke, um sich vor dem prasselnden Regen zu schützen. Sie zog den Kopf ein und hechtete die Straße entlang. Das Wetter trug dazu bei, dass sich ihre Stimmung verdüsterte. Der Wolkendecke nach zu urteilen, war dies kein kurzer Schauer. Jessica wurde wütend. Sie hatte kein Auto und war gezwungen, die schweren Tüten durch dieses Schmuddelwetter zu schleppen. Das Leben konnte wirklich schon ungerecht sein.

Die Bushaltestelle befand sich auf der anderen Straßenseite. Jessica musste den Gehsteig wechseln. Sie verließ sich auf ihr ausgezeichnetes Gehör und warf nur einen flüchtigen Blick über die Schulter, bevor sie loslief. Bis ins Mark erschrak sie, als hinter ihr das laute Hupen ertönte. Alles geschah blitzschnell und dennoch hatte sie den Eindruck, es in Zeitlupe zu erleben. Das Fahrzeug hinter ihr vollführte eine Vollbremsung. Aufgrund der feuchten Asphaltdecke konnten die Reifen nicht greifen und ließen den Wagen gefährlich auf die Fußgängerin zurutschen. Ein Passant reagierte geistesgegenwärtig und zog sie ruckartig von der Straße zurück auf den Gehweg. Jessica verlor bei der Aktion die Balance und fiel ihm direkt in die Arme. Verängstigt blickte sie in das vorwurfsvolle Gesicht eines Rentners. Der Schock über das Erlebte saß zu tief, als dass sie sich im Moment schämen konnte. Ihr Gesicht war gezeichnet von dem Horror, den sie durchmachte. Sie fühlte sich schlecht, körperlich schwach und emotional ausgelaugt. Das Herz raste und die Gedanken wirbelten durch ihren Kopf, ohne einen Sinn zu ergeben. Sie fühlte sich benommen, wusste nicht, ob sie verletzt war. Nur am Rande bekam sie mit, dass der Fahrer wutentbrannt ausstieg. Keifend bewegte er sich auf sie zu und bedachte sie mit Kraftausdrücken. Jessica war weder in der Lage, etwas zu erwidern, noch rational zu denken. Sie nahm die Schimpftiraden kommentarlos hin.

Trotz des Regens lockte das unbeherrschte Gebaren des Fahrers eine Zuschauermenge an. Interessiert beobachtete die Gruppe, wie er auf die junge Frau losstürmte. Schützend stellte sich der Rentner vor die zitternde Jessica. Ihm war bewusst, dass sich das Mädchen in ihrem gegenwärtigen Zustand unmöglich rechtfertigen konnte. Er stand für sie ein. Sah es als seine Bürgerpflicht an. Diese war offenbar von den zahlreichen Gaffern vergessen worden. Sein ausgestreckter Arm hielt den zornigen Fahrer auf Abstand. Dieser hielt tatsächlich inne und blieb stehen, doch legte er das Verhalten des Pensionärs allerdings falsch aus.

„Pass gefälligst besser auf deine Enkelin auf, Opa!“, bellte er.

„Hören Sie, es tut mir leid, was passiert ist. Doch tragen Sie ebenfalls eine Mitschuld. Sie sind zu schnell gefahren und haben kein Licht eingeschaltet. Ihr dunkles Fahrzeug ist bei diesen schlechten Sichtverhältnissen schwer auszumachen.“

„Willst du damit sagen, dass es meine Schuld ist, dass mir diese Tagträumerin beinahe in die Karre lief?“ Die Körpersprache machte deutlich, dass er auf eine direkte Konfrontation aus war.

Dennoch ließ sich der rüstigen Rentner dadurch nicht einschüchtern. Unbeirrt bot er dem Schreihals Paroli. Er wusste, dass er der Einzige war, der zwischen dem aufgebrachten Fahrer und der Fußgängerin stand. Sein Beschützerinstinkt war geweckt.

Er blieb ruhig. Der Mann kam näher. Der ältere Herr stellte sich ihm in den Weg. Verhinderte, dass er ihr zu nahe kam. Der Fahrer atmete hektisch, und seinen Bewegungen mangelte es an Koordination. Der Rentner wurde misstrauisch. Anstatt ihm auszuweichen, machte er einen Schritt vor und sog scharf die Luft ein.

„Geh mir aus dem Weg, Opa!“, fauchte der Kerl.

„Verschwinden Sie, bevor ich die Polizei rufe. Wenn ich mich nicht täusche, dann rieche ich Alkohol in Ihrem Atem.“

Die Bemerkung zeigte Wirkung. Der Mann wurde unsicher. Wirkte nicht mehr so bedrohlich. Abschätzig blickte er den alten Mann an. Anschließend schielte er an ihm vorbei, um auf die verängstigte Frau zu schauen.

„Mädchen, du kannst froh sein, dass du deinen Opa dabei hast, sonst hätte ich dir schon gezeigt, wie man sich im Straßenverkehr verhält“, knurrte er und wankte langsam zu seinem Fahrzeug zurück.

„Mit der Fahne sind Sie wohl kaum in der Lage, diesen Anspruch zu erheben“, rief ihn der Rentner nach.

Sicherlich wäre es ratsam gewesen, die Polizei einzuschalten, doch galt seine Sorge der jungen Dame, die immer noch weiß wie ein Laken war. Er wollte sich darum kümmern, dass sie so schnell wie möglich aus dem Regen heraus kam. Sie musste zunächst ihren Schock überwinden. Nebenbei bemerkte er, dass sich der Fahrer hinters Steuer klemmte und davonfuhr.

„Geht es Ihnen gut?“, wandte sich der Alte besorgt an seinen Schützling.

Jessica sah ihn nur aus großen Augen an und nickte. Sie war dankbar für sein geistesgegenwärtiges Einschreiten. Stellte sich auf die Zehnspitzen und küsste ihn flüchtig auf die Wange. So wollte sie ihre Dankbarkeit auszudrücken.

Überrascht lachte er auf. „So etwas geschieht in meinem Alter selten.“

„Darf ich Sie auf einen Kaffee einladen? Ich wohne hier um die Ecke“, stammelte sie und verschwendete keinen Gedanken daran, dass sie soeben einen Fremden in ihre Wohnung einlud.

„Das Angebot nehme ich gern an“, entgegnete er mit einem Lächeln.

„Selbstverständlich nur, wenn Sie Zeit haben. Ich will Sie nicht von Ihren Pflichten abhalten!“

„Ich bin Rentner. Glauben Sie mir, Sie halten mich von nichts ab.“ Er streckte ihr die Hand entgegen und stellte sich korrekterweise vor, „Stockerl … Alexander Stockerl!“

„Jessica Postler“, antwortete sie knapp und lächelte ihn an.

Sofort verschwand das Lächeln aus ihrem Gesicht, als er sie plötzlich hart an den Arm fasste und rasch ums Eck führte. Jessica war zu irritiert, um etwas zu erwidern. Stattdessen bereute sie bereits ihre Entscheidung, ihn zu sich eingeladen zu haben. Doch kaum waren sie von der Hauptstraße verschwunden, ließ er sie wieder los und erklärte sich.

„Entschuldigen Sie, ich wollte sie nicht ängstigen. Ich sah nur, dass der betrunkene Fahrer ein Stück die Straße hinunter von der Polizei angehalten wurde. Sicherlich hatte einer der Schaulustigen die Wache alarmiert und das Kennzeichen bekannt geben. Zweifelsohne werden die Beamten seinen Zustand erkennen. Ich fand es ist unnötig, dass Sie weiter in die Sache hineingezogen werden. Sie haben schon genug durchgemacht.“

„Das ist so süß von Ihnen!“ Ihr Gesicht zeigte ihre Erleichterung. „Wie oft wollen Sie mich heute noch retten?“

„Ich hoffe, das war es für heute. Ansonsten sollten wir überlegen, ob Sie für die Zukunft nicht besser eine Gouvernante brachen?“

Augenblicklich zuckte Jessica bei dem Begriff „Gouvernante“ zusammen. Für sie war dies ein Reizwort und lenkte ihre Gedanken unweigerlich aufs Thema Spanking. Sie assoziierte diesen Beruf ausschließlich mit Spanking. Ihre Gedanken überschlugen und ihr Kopfkino verselbstständigte sich. Sicherlich hatte Alexander keine Spanking-Assoziation beabsichtigt, doch dies war das Einzige, woran Jessica im Moment denken konnte. Es war ihr mittlerweile unheimlich, dass sie heute einfach alles auf das Thema Spanking bezog. Es war geradeso, als sei sie heute davon besessen. Sofort stellte sie sich die Frage, ob Herr Stockerl etwa auch „einer von ihnen“ war?

Jessica gelang es nicht, den Gedanken zu unterdrücken. Offensichtlich litt sie unter stärkeren Entzugserscheinungen, als es ihr bewusst war. Das letzte Spiel lag zu lange zurück. Es war höchste Zeit, dies zu ändern, wollte sie endlich mal auf andere Gedanken kommen.

 

 

 

 

 

sf0318.jpg
bottom of page